Diabetestherapie – mehr als nur Blutzuckerkontrolle
Wir zeigen Ihnen die sechs effektivsten Tipps, mit denen Sie Ihren Diabetes in den Griff bekommen und die Risiken für Folgeerkrankungen minimieren.
Wie schnell eine Diabeteserkrankung fortschreitet, hat in der Regel jeder selbst in der Hand. Eine geringe Gewichtsreduktion kann hier schon viel bewirken. Aber selbst ohne einen Pfund zu verlieren, nur mit der richtigen Ernährung und einem aktiven Lebensstil, ist es möglich, den Zuckerhaushalt (auch mit Reduktion von Medikamenten) in den Griff zu bekommen. Auch Risiken (z. B. Bluthochdruck, hohes Cholesterin) für gefährliche Gefäßkomplikationen, die zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder anderen diabetischen Folgeschäden führen, können so minimiert werden.
Stark gegen Folgeerkrankungen
Auch wenn eine Diabetesremission das vorrangige Therapieziel sein sollte, so bringt nicht jeder Betroffene die Voraussetzung mit, um seine Erkrankung zurückzubilden. Bei manchen ist der Diabetes zu weit fortgeschritten, d. h. die insulinproduzierenden beta-Zellen in der Bauspeicheldrüse sind schon irreversibel geschädigt. Andere wiederum halten eine intensive Gewichtsreduktion nicht durch oder schaffen es aus anderen Gründen nicht 10 bis 15 Kilogramm dauerhaft abzunehmen, um das Ziel der Diabetes-Remission zu erreichen. Der Diabetes bleibt dann ein lebenslanger Begleiter, der medikamentös behandelt werden muss.
Was ist der Unterschied zwischen Diabetes-Remission und Diabetesmanagement?
In beiden Fällen ist ein normaler Blutzuckerspiegel das angestrebte Ziel. Um diesen zu erreichen sind Patienten im Rahmen des Diabetesmanagements weiterhin auf blutzuckersenkende Medikamente angewiesen. Wer es dagegen in die Remission geschafft hat und sein Gewicht hält, braucht keine Antidiabetika mehr, um seine Blutglukose im gesunden Bereich zu halten.
Bestens versorgt bei Diabetes
Disease-Management-Programme, kurz DMP, sind strukturierte Behandlungsprogramme für Menschen mit chronischen Erkrankungen.
Ihr behandelnder Arzt ist dabei Ihr wichtigster Ansprechpartner. Gemeinsam mit ihm besprechen Sie die Therapie und die Behandlungsziele.
Risiken im Griff, Folgeerkrankungen minimieren – unsere Tipps
Ein moderater Gewichtsverlust von drei bis fünf Prozent des Ausgangsgewichts gehört zur Basistherapie des Diabetes Typ 2. Auch wenn damit eine Remission unwahrscheinlicher ist als mit einer höheren Gewichtsabnahme, so wirken sich drei bis fünf Kilogramm weniger auf der Waage dennoch günstig auf die Blutzuckerkontrolle aus. Im Idealfall kann dadurch der Blutzucker mit weniger Medikamenten runtergedrückt werden. Der Abnehm-Effekt greift aber noch weiter: Es kommt zu einer deutlichen Verbesserung kardiovaskulärer Risikomarker wie der Blutfette sowie des Blutdrucks und auch die Sterblichkeitsrate sinkt.
Vor der Entdeckung des Insulins galt die kohlenhydratreduzierte Kost als die Standardtherapie des Diabetes. Das ist auch plausibel, denn Kohlenhydrate wie Zucker und Stärke haben den stärksten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und lösen den größten Insulinbedarf aus. Folglich ist es eine logische Konsequenz ihre Zufuhr zu begrenzen. Die wissenschaftliche Datenlage dazu ist auch eindeutig – mit Low-Carb-Diäten lässt sich der entgleiste Zuckerstoffwechsel im Vergleich zu anderen Diäten (z. B. Low-Fat) am besten wieder in die richtige Bahn lenken. Klinische Studien haben gezeigt, dass der blutzuckersenkende Effekt (v.a. Langzeitzucker = HbA1c) größer ist, je stärker die Kohlenhydrate aus Brot, Kartoffeln, Nudeln eingeschränkt werden. Besonders empfehlenswert ist die mediterrane Low-Carb-Kost. Die günstige Wirkung der Kohlenhydratreduktion ist nicht allein auf Zuckerstoffwechsel begrenzt, sondern verbessert insgesamt den „angeknacksten“ Stoffwechsel der Betroffenen, ohne dass diese dafür auch nur ein Gramm Gewicht verlieren müssen. Das ist eine gute Nachricht für alle Abnehmresistenten oder schlanken Diabetiker.
Wichtiger Hinweis bei Einnahme von Insulin und anderen blutzuckersenkenden Medikamenten:
Sollten Sie insulinpflichtig sein und sich Low-Carb ernähren wollen, dann starten Sie erst nach Rücksprache mit Ihrem Arzt mit dem Diätprogramm. Eine kohlenhydratarme Ernährung senkt den Insulinbedarf deutlich. Um eine gefährliche Hypoglykämie zu vermeiden, muss die Insulinmenge in der Regel sofort reduziert werden. Lassen Sie sich auch bezüglich der Anpassung anderer Medikamente beraten.
Wenn Sie doch mal um eine Brotmahlzeit oder einen Teller Nudeln nicht drumherum kommen, dann können Sie versuchen mit verschiedenen Tricks, Nahrungskohlenhydraten den Weg ins Blut zu erschweren bzw. Ihren Eintritt in die Zielorgane zu erleichtern. Auf diese Weise können Sie Blutzuckerspitzen nach dem Essen besser ausbremsen und so Ihre Gefäßgesundheit fördern.
So vermeiden Sie starke Blutzuckeranstiege nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit:
Weniger Speed durch intakte Lebensmittel
Wie schnell Kohlenhydrate aus einem Lebensmittel als Traubenzucker (Glukose) ins Blut gelangen, hängt davon ab, wie einfach die Verdauungsenzyme die Stärke in Brot, Nudeln, Reis etc. in ihre Einzelbestandteile (Glukose) zersetzen können. Dass Weißbrot mit seinen fehlenden Ballaststoffen hierbei nicht gut wegkommt, ist bekannt. Dass aber auch viele vermeintlich gesunde Vollkornbrote nicht wesentlich besser abschneiden, ist für viele neu. Dafür verantwortlich ist der Vermahlungsgrad des Mehls, d.h. je feiner das Vollkornmehl, desto zerstörter die natürliche Matrix und desto schneller gelangen die Kohlenhydrate ins Blut. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfiehlt deshalb nur Vollkornprodukte zu essen, die einen hohen Anteil ganzer Körner enthalten, denn diese besitzen noch eine intakte Struktur, die den Verdauungsenzymen die Arbeit erschwert, mit der Folge, dass der Blutzuckerspiegel langsamer ansteigt. Gleiches gilt für Hafer, der in der Diabetestherapie aufgrund seines hohen Ballaststoffgehalts (ß-Glukane) einen besonders guten Ruf genießt. Das ist auch berechtigt, solange Sie Hafergrütze oder kernige Haferflocken essen. Je stärker der Hafer verarbeitet, z.B. als Instant- oder Kleinblattvariante oder als Haferpops, desto höher der Verlust des glykämischen Vorteils, unabhängig vom Ballaststoffgehalt.
Carbs immer in Begleitung
Schicken Sie Kohlenhydrate niemals allein auf die Reise durch den Verdauungstrakt, da sonst der Blutzuckerspiegel nach dem Essen sehr schnell ansteigt. Um das zu verhindern, sollten Sie Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis etc. immer mit einem Partner verzehren. Ideal sind eiweiß-, fett und/oder ballaststoffreiche Begleiter, denn diese verzögern die Magenentleerung und damit die Aufnahme der Kohlenhydrate ins Blut.
Ein paar Beispiele:
- statt Reis allein, besser mit Bohnen, Fisch oder Fleisch
- statt Nudeln mit Tomatensoße, besser Nudeln mit Pesto und Parmesan und Tomaten
- statt Kartoffeln allein, besser Kartoffeln mit Quark
3-fach-Effekt von Eiweiß
Eiweiß kann noch mehr als nur die Magenentleerung verzögern. Es kann auch die Verdauungsenzyme blockieren, die Kohlenhydrate aufspalten und es fördert die Insulinproduktion (v. a. Milchproteine) in der Bauchspeicheldrüse. Alle drei Effekte wirken sich günstig auf den Blutzuckerspiegel aus.
Sauer macht flachere Blutzuckerkurven
Studien haben gezeigt, dass die Blutzuckerantwort nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit günstig beeinflusst werden kann, wenn säurehaltige Lebensmittel wie Essig oder sauer eingelegtes Gemüse zu einer Mahlzeit gegessen werden. Genießen Sie zum Abendbrot Mixed Pickles oder machen Sie den Kartoffel- und Nudelsalat großzügig mit einem Essig-Öl-Dressing an!
Kohlenhydrate zum Schluss
Die Reihenfolge, mit der Sie die Komponenten Ihrer Mahlzeit genießen, gilt nach jüngsten Erkenntnissen als eine neue effektive und einfache Strategie, um den Blutzuckerspiegel nach dem Essen besser zu kontrollieren. Wissenschaftler empfehlen die Stärkebeilagen wie Reis, Kartoffeln, Nudeln etc. innerhalb einer gemischten Mahlzeit, immer als Letztes zu essen und Gemüse und Eiweiß (Fisch, Fleisch) den Vorrang zu geben.
Nach dem Warm-Up sollten Carbs einen Cool Down bekommen
Bei Kartoffeln, Reis oder Nudeln, die man nach dem Garen im Kühlschrank herunterkühlt und am nächsten Tag wiedererwärmt, kommt es zu molekularen Strukturveränderungen. Ein Teil der Stärke wird resistent gegenüber Verdauungsenzymen – dadurch landet diese unverdaut als Bakterienfutter im Dickdarm und nicht als Zucker im Blut. Das sorgt für flachere Blutzuckerkurven.
Nach dem Essen in Bewegung kommen
Wie heißt es so schön - „sich regen mit Segen“. Ein Segen für Ihren Zuckerhaushalt und für Ihre Blutgefäße ist es, wenn Sie sich 30 Minuten nach dem Genuss einer kohlenydratreichen Mahlzeit 20-30 Minuten lang regen, z.B. indem Sie stramm spazieren gehen, oder Treppen steigen oder eine Runde radeln. Auf diese Wiese fischen sich die Muskeln den Zucker direkt aus dem Blut heraus, wodurch starke Blutzuckeranstiege verhindert werden können. Aber auch kleine „Bewegungshäppchen“ von 2 Minuten alle 30 Minuten sorgen für flache Blutzuckerkurven im Tagesverlauf.
Einen immer wichtigeren Stellenwert in der Therapie des Diabetes Typ 2 nimmt das Meal-Timing – also das „Wann wir essen sollen“ ein. Essen entgegen der inneren biologischen Uhr führt zu massiven Problemen im Zuckerstoffwechsel, was man bei Schichtarbeitern beobachten kann. Besonders späte Mahlzeiten, die nach 19 Uhr eingenommen werden, sollten Sie vermeiden, da sie die Blutzuckerkurve in der Nacht und im Tagesverlauf anheben können. Das Frühstück dagegen ist für Diabetiker wahrscheinlich die wichtigste Mahlzeit, da es wie ein Verstärker auf den Einsatz von blutzzuckerregulierenden Hormonen, Enzymen und Transportern wirkt und dieser Effekt sogar noch beim Mittag und Abendessen für flachere Blutzuckerkurven sorgt. Allerdings ist ein kohlenhydratarmes Frühstück aus Quark mit Früchten und Nüssen einem Brot oder Müsli vorzuziehen, da bei Diabetikern in den frühen Morgenstunden die Insulinresistenz stärker ausgeprägt ist.
Neben der richtigen Ernährung zur Verbesserung des Zuckerstoffwechsels gehört Bewegung zur Basistherapie des Diabetes Typ 2. Und das hat auch viele gute Gründe. Muskeln, die genutzt werden, nehmen auch ohne Insulin den Zucker aus dem Blut auf. Das entlastet die Bauchspeicheldrüse, senkt den Blutzucker und den Blutdruck und wirkt sich darüber hinaus günstig auf die Blutfette aus. Täglich sollten Sie mindestens 30 Minuten Bewegung in moderater Intensität einplanen. Das kann ein strammer Sparziergang sein, lockeres Joggen, Radfahren oder Schwimmen. Langfristig steigern Sie dadurch ihre Fitness und senken so Ihr Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Krafttraining ist ein elementarer Baustein der Diabetestherapie und sollte zwei Mal pro Woche durchgeführt werden. Es verbessert nicht nur die Insulinempfindlichkeit der Muskeln, sondern schützt diese und fördert deren Aufbau.
Jeder Mensch ist ein Individuum. Was bei dem einen den Blutzuckerspiegel im Zaum hält, kann bei dem anderen kaum einen Effekt erzielen. Wie gut die hier aufgelisteten Tipps und Tricks sich auf Ihr Blutzuckerprofil auswirken, können Sie mit Hilfe eines Blutzuckersensors, den Sie (z. B. zwei Wochen) am Arm tragen, herausfinden. Geräte zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) können Sie sich vom Hausarzt verschreiben lassen.
Darüber hinaus gelten für die Diabetestherapie hinsichtlich des Schlafes und Stressreduktion die gleichen Empfehlungen wie für die Diabetesprävention.
Gehen Sie zur Ernährungsberatung
Lassen Sie sich an die Hand nehmen und von Experten beraten und motivieren. Die Erfolgschancen, den Diabetes in den Griff zu bekommen, sind größer, je regelmäßiger und intensiver Sie sich betreuen lassen.