Für Topleistungen im Sport spielen neben dem körperlichen Training auch die geistige Verfassung und innere Einstellung eine zentrale Rolle. Für viele Profi-Sportler ist Mentaltraining daher heute ein fester Bestandteil des Trainings und gehört zur Vorbereitung auf einen Wettkampf dazu. Auch Hobbysportler haben durch Mentaltraining die Chance, ihre Aufregung besser zu kontrollieren, während des Wettkampfs das Beste aus sich rauszuholen und – vor allem bei einem Marathon – bis zum Ziel durchzuhalten. In unserem Interview verraten die Sportpsychologin Anett Szigeti und die Leichtathletin Nadja Käther vom HSV, wie ihr euch mental am besten auf einen bevorstehenden Wettkampf einstimmt.

Nadja: Ja, Kopf und Körper gehören zusammen. Man kann den Kopf nicht ausschalten, deshalb sollte man ihn auch beim Training nicht außer Acht lassen.

Anett: Ich würde sogar sagen, man MUSS den Kopf ebenso trainieren wie den Körper. Das wird leider noch immer oft vernachlässigt, auch im Profisport. Mentales und körperliches Training sollten Hand in Hand gehen. Es empfiehlt sich, Entspannungsverfahren wie zum Beispiel die progressive Muskelentspannung zu erlernen und regelmäßig anzuwenden. Das ist ganz wichtig, um sich im Wettkampf gut regulieren zu können und auch zwischen den Trainingseinheiten ausreichend zu regenerieren. Dabei sollte man nach einem Entspannungstraining suchen, das zu einem passt. Bei YouTube oder Spotify kann man sich unterschiedliche Formen anhören und etwas aussuchen. Ebenso lässt es sich auch erlernen, Bewegungen zu visualisieren oder den Fokus zu verschieben. So kann es hilfreich sein, den Fokus weg vom inneren angestrengten Muskel nach außen in die Weite zu lenken, damit man die Anstrengung weniger spürt.

Nadja: Kurz vor dem Wettkampf steigt natürlich die Nervosität rapide, das kenne ich gut. Es ist dann wichtig, sie im Zaum zu halten. Mir hilft es, für die Woche vor dem Wettkampf einen Plan zu machen. Ich lege dann zum Beispiel vorab fest, wann und wie viel ich trainiere und esse, aber auch welche Klamotten ich beim Wettkampf tragen werde. So muss ich mir nicht mehr so viele Gedanken machen und bekomme den Kopf leichter frei.

Anett: Wichtig ist es auch, jetzt nicht plötzlich lauter neue Dinge auszuprobieren, also beispielsweise ganz anders zu essen oder mit anderen Klamotten als sonst zu laufen. Außerdem kann man schon im Vorfeld Entspannungstechniken erlernen, die man nun anwenden kann. Oder es gibt andere Dinge, die einem bei der Entspannung helfen, zum Beispiel Spazierengehen. Auch hier gilt es aber zu akzeptieren, dass eine gewisse Anspannung zum Wettkampf dazugehört und wichtig ist, um gute Leistung zu erzielen. Sie darf nur nicht zu groß werden, sonst frisst sie Energie.

Nadja: Mir hilft positives Denken. Ich stehe morgens auf und sage mir, dass es ein guter Tag wird. Dann male ich mir aus, wie es sein wird, wenn ich den Wettkampf hinter mir und ein super Ergebnis erzielt habe.

Anett: Am besten konzentriert man sich ganz auf sich selbst und orientiert sich nicht an anderen. Man sollte sich sagen "Es ist mein Tag" und ihn ganz bewusst genießen. Ich empfehle außerdem, Ruhebereiche einzubauen, vielleicht Musik zu hören oder nur die Kopfhörer auf den Ohren zu haben, damit man nicht angesprochen wird. Sich im Vorfeld eine Wettkampfroutine für den Tag zurechtzulegen und einen groben zeitlichen Ablauf zu planen, gibt einem zusätzlich Ruhe und Struktur.

Nadja: Ja, aber es erfordert Übung. Der Körper ist zu viel mehr fähig, als wir glauben. Der Kopf hindert einen oft daran, alles aus sich herauszuholen. Wenn man mental gut eingestellt ist, kann man über sich selbst hinauswachsen.

Anett: Man kann lernen, die Leidensfähigkeit zu erhöhen, also seine Komfortzone zu verlassen, um die Reserven auszuschöpfen. Der Kopf will nur 80 % der Leistung abrufen – das zu übertreffen, ist eine bewusste Entscheidung und lässt sich trainieren. Zum Beispiel mit diesen „fiesen“ Läufen, bei denen das Laktat förmlich aus den Ohren läuft – das ist hart, aber sie gehören zu einem Wettkampftraining dazu. Bei den letzten ein oder zwei Läufen im Training über seine Grenzen zu gehen und weiterzumachen, auch wenn man glaubt, nicht mehr zu können, trainiert die Leidensfähigkeit enorm.

Anett: Man sollte sich darauf einstellen, dass der „Mann mit dem Hammer" oder ein anderer Einbruch kommen kann, und es akzeptieren. Es kann helfen, sich zu überlegen, wie man sich im Falle des Falles verhalten wird, also zum Beispiel ein Stück zu gehen oder die Atmung zu verändern. Das gibt Sicherheit und nimmt die Furcht.

Nadja: Ich sage mir bei Ausdauerläufen immer, wie viel ich schon geschafft habe – das hilft mir, Schmerzen zu ertragen. Oder ich stelle mir vor, wie es sein wird, im Ziel zu sein und die Beine hochzulegen.

Nadja: Ich analysiere zunächst, ob meine Ziele zu hoch gesteckt waren oder ob ich nicht genug trainiert habe. Es ist wichtig, ehrlich zu sich zu sein.

Anett: Man sollte sich klarmachen, dass es von vielen Faktoren abhängt, ob man sein Ziel erreicht – nicht alle kann man beeinflussen. Das Wetter kann auch eine Rolle spielen, oder eine Erkältung. Die Frage ist also, ob das Ziel an diesem Tag realistisch war. Und: Man darf auch enttäuscht sein. Aber dann gilt es, nach vorn zu schauen und dafür zu trainieren, dass es nächsten Mal besser läuft.

Das könnte euch auch interessieren

Ein junger Mann sitzt meditierend auf seinem Bett.

Work-Life-Balance Tipps

Drei Frauen in Sportklamotten schlagen ein.

Die richtige Motivation

Frau stretcht sich im Fitnessstudio.

Dehnen: Was bringt Stretching wirklich?

Ist das was für euch?

Ein junger Mann läuft auf einem Laufband und lässt ein Belastungs-EKG durchführen.

Sportler-Check-up

Nils Goerke und Dr. Jan-Philipp Albersmeier

Video-Talk: Cortisol im Sport

Zwei Hände halten eine Salatschüssel über dem Esstisch.

Online Gesundheitskurse Ernährung