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Work & Life 04/2022
Frau sitzt auf dem Bett und sieht erholt aus.

Somnologe im Interview: So klappt’s mit dem gesunden Schlaf

Sie liegen stundenlang wach, wälzen sich von einer Seite auf die andere und schauen stündlich auf den Wecker? Damit sind Sie nicht alleine, denn immer mehr Menschen leiden unter Ein- und Durchschlafstörungen. Doch bereits einfache Anpassungen im Alltag können Ihre Schlafqualität immens steigern.

Dr. Hans-Günter Weeß
Dr. Hans-Günter Weeß
© privat

Dr. Hans-Günter Weeß beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren klinisch und wissenschaftlich mit dem Schlaf und seinen Störungen. Er ist Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster und von 2008 bis 2022 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Im Interview beantwortet der Schlafexperte Fragen rund um Powernap, Schlafrhythmus und Schlafwandeln – und gibt Tipps, wie es mit dem erholsamen Schlaf endlich klappt.

Herr Dr. Weeß, wie viel Schlaf ist eigentlich gesund?

Dr. Weeß: Die Frage, wie viel Schlaf der Mensch benötigt, beschäftigt die Wissenschaft schon seit Jahrzehnten. Viele Studien haben bereits einen Blick in deutsche Schlafzimmer geworfen, um herauszufinden, wie viel Zeit der durchschnittliche Deutsche dort schlafend verbringt. Nach einer repräsentativen Studie des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2013 schliefen 81,6 Prozent der Befragten zwischen sechs und acht Stunden, 12,3 Prozent weniger als fünf Stunden und 6,1 Prozent mehr als neun Stunden. Allen Studien ist gemein, dass der Durchschnittsdeutsche um die sieben Stunden schläft. Aber ist das genug?

Die Antwort der Medizin ist simpel und banal: Es muss so viel Schlaf sein, dass wir uns wach und ausgeschlafen fühlen und dabei optimalerweise ohne Wecker aufwachen. Uns Schlafexperten interessiert nicht, wie viel unsere Patienten nachts schlafen. Sondern wie es ihnen am Tag geht. Wenn sie sich wach und ausgeschlafen fühlen, sich gut konzentrieren können, emotional ausgeglichen sind und tagsüber nicht mit Müdigkeitsattacken kämpfen, dann war der Schlaf ausreichend.

Das heißt, dass manche Menschen tatsächlich mit weniger Schlaf auskommen und andere mehr von diesem kostbaren Gut benötigen. Pauschale Aussagen sind hier nicht möglich und auch nicht seriös, da die Schlafdauer zum Großteil genetisch festgelegt ist. Bei den meisten Menschen liegt das genetische Schlafbedürfnis zwischen sechs und acht Stunden. Daran lässt sich nicht rütteln. Genauso, wie es große und kleine Menschen gibt, gibt es Lang- und Kurzschläfer. Weder das eine noch das andere ist besser, und weil es auch etwas mit der Genetik zu tun hat, können wir nicht aus unserer Haut.

 

Kann es gefährlich sein, wenn man ständig „zu wenig“ oder aber auch „zu viel“ schläft?

Dr. Weeß: Der Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Der Volksmund sagt es bereits: „Schlaf ist die beste Medizin.“ Chronischer Schlafmangel geht mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Schlaganfall, Depressionen, Parkinson und Demenzen einher. Darüber hinaus steigt das Risiko für eine Schwächung des Immunsystems und eine Erhöhung der Schmerzwahrnehmung. Kein Wunder, dass chronischer Schlafmangel zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führen kann. Aber auch zu viel Schlaf kann sich negativ auf die Gesundheit und die Lebenserwartung auswirken. Warum, haben wir Forscher noch nicht richtig verstanden. Möglicherweise hängt es mit einer Überstimulierung unseres Immunsystems durch zu viel Schlaf zusammen. Es kommt also auf die richtige Dosis an: Schlafen Sie so viel, wie es Ihre Gene vorgeben, nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Sie werden sich jetzt vermutlich fragen, wie hoch denn nun Ihr genetisches Schlafbedürfnis ist. Dies festzustellen ist in unserer heutigen Zeit gar nicht so einfach. Werktags reißt uns der Wecker viel zu früh erbarmungslos aus dem Schlaf. Am Wochenende schlafen wir häufig länger, um das Schlafdefizit der Arbeitswoche wieder zu kompensieren. Wo also liegt der Maßstab?

Des Rätsels Lösung kann Ihnen der nächste längere Urlaub geben. Verbannen Sie unbedingt den Wecker aus dem Schlafzimmer und nehmen Sie sich einmal ausreichend Zeit zum Schlafen. In der ersten Woche bauen Sie wahrscheinlich erst einmal das alltags- und arbeitsbedingte Schlafdefizit ab und schlafen deutlich mehr als üblich. Erst in der zweiten Woche zeigt sich dann Ihre optimale genetische Schlafmenge. Jetzt wachen Sie jeden Morgen ohne Wecker zur selben Zeit auf und springen fit und ausgeschlafen aus dem Bett. Sollte es Ihnen gelingen, diese Schlafmenge für Ihren Arbeitsalltag zu konservieren, wäre das perfekt. Sie werden Ihre Lebenserwartung verlängern und an Lebensqualität gewinnen, Ihre Leistungsfähigkeit wird gesteigert und ganz grundsätzlich tun Sie Ihrer Gesundheit etwas Gutes.

 

Sollte man denn immer den gleichen Schlafrhythmus beibehalten?

Dr. Weeß: Der Schlaf-wach-Rhythmus des Menschen wurde schon vor Urzeiten angelegt und folgt einem festen Muster: Über Millionen von Generationen hinweg lebten wir Menschen in einem Rhythmus, der durch die Drehung der Erde und damit durch den Auf- und Untergang der Sonne vorgegeben war. Der Mensch ist am Tag aktiv und in der Nacht inaktiv. Nachts ziehen wir uns zurück und schlafen. Dieses Verhalten wurde fest in unseren Genen verankert. Der Mensch ist ein „Rhythmustier“, nahezu alle körperlichen Funktionen unterliegen einem Rhythmus. Großmutters Rat „Stets gleich ins Bett und gleich heraus, spart manch morgendlichen Graus“ beinhaltet aus schlafmedizinischer Perspektive viel Wahres und Bedeutsames. Stabile Zubettgeh- und Aufstehzeiten unterstützen das Schlafvermögen des Menschen. Aber es gelten nicht für alle Menschen dieselben Zubettgeh- und Aufstehzeiten: In der wissenschaftlichen Schlafmedizin unterscheiden wir hinsichtlich der Schlafenszeiten Frühtypen, Normaltypen und Spättypen.

Diese verschiedenen Schlaf- oder auch Chronotypen dürften Ihnen vielleicht am ehesten unter den beiden Vogelmetaphern „Lerchen“ und „Eulen“ vertraut sein. Lerchen sind Morgenmenschen und Eulen sind Abendmenschen. Sie haben einen unterschiedlichen Schlaf-wach-Rhythmus: Lerchen werden am Abend früh müde und gehen zeitig ins Bett. Morgens springen sie mit dem ersten Krähen des Hahns aus den Federn. Oft sind sie gleich nach dem Aufstehen schon fit wie ein Turnschuh. Eulen hingegen werden am Abend nochmal munter und finden den Weg ins Bett oft nur sehr spät. Morgens kommen sie nur mit großer Mühe in die Puschen. Wenn es die Lerche aus dem Bett treibt, ist es für die Eule gefühlt und manchmal auch tatsächlich noch mitten in der Nacht. Welchen Schlaftypus wir ausbilden, ist von unseren Genen abhängig und wenig veränderbar. Einer Eule rauben wir z. B. mit einer Dauerfrühschicht nicht nur Schlaf, sondern auch Lebensqualität. An unseren Genen lässt sich nicht rütteln.

 

Was sind die Hauptursachen für schlechten Schlaf?

Dr. Weeß: Sie liegen stundenlang wach, wälzen sich von einer Seite auf die andere, ruckeln am Kissen hin und her, schieben die Decke rauf und runter und fühlen sich am Morgen wie gerädert: Sechs Prozent der Deutschen leiden an einer behandlungsbedürftigen Ein- und Durchschlafstörung, im Fachterminus „Insomnie“ genannt. Schlafstörungen können mannigfaltige Ursachen haben: Viele können am Abend nicht abschalten und nehmen die großen und kleinen Sorgen mit ins Bett. Das Gedankenkarussell will einfach nicht stoppen. Dies führt zu einer erhöhten gedanklichen und gefühlsmäßigen Anspannung. Anspannung ist der Feind des Schlafes. Andere liegen nachts im Bett, schauen auf den Wecker und ringen mit ihrem Kissen um den Schlaf. Auch dies führt zu Anspannung und macht wach. Es gibt keine bessere Methode, um sich wach zu halten, als schlafen zu wollen. Viele kommen abends nicht zur Ruhe, weil sie sich falsch verhalten: Sport in den späten Abendstunden, späte Mahlzeiten, Arbeiten bis zur Zubettgehzeit und vor allem auch das helle Licht von LED-Beleuchtungen, Smartphones und anderen Bildschirmen können den Schlaf verhindern. Alkohol- und Koffeinkonsum am Abend können ebenso den Schlaf stören. Körperliche Leiden und psychische Belastungen sind ebenfalls Schlafräuber. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schilddrüsenfehlfunktionen stellen einen besonderen Risikofaktor für Schlafstörungen dar. Depressionen oder Angststörungen gehen, je nach Studie, mit einem bis zu fünffach erhöhten Risiko für Schlafstörungen einher. Und nicht zuletzt können auch die Nebenwirkungen von Medikamenten den Schlaf stören, die man just wegen oben genannter Erkrankungen einnehmen muss.

 

Welche Tipps haben Sie für gesunden Schlaf?

Dr. Weeß: Fehlverhaltensweisen und innere Fehlhaltungen können Schlafstörungen hervorrufen, verstärken oder gar aufrechterhalten. Eine Veränderung des schlafstörenden Verhaltens kann schon den Grundstein für eine Verbesserung des Schlafs darstellen. Schlafforscher sprechen in diesem Zusammenhang von Schlafhygiene. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass der Patient stets gut geduscht ins Bett gehen sollte. Nein, es geht darum, dass der Patient wieder ein Verhalten an den Tag legt, das mit Schlaf vereinbar ist. Die Regeln für einen gesunden Schlaf sind die Voraussetzungen dafür, dass wieder ein gesunder und erholsamer Schlaf gelernt wird.

Regel 1: Regelmäßige Bettzeiten fördern das Schlafvermögen.

Stehen Sie auch nach einer schlechten Nacht zur gewohnten Zeit am Morgen auf und holen Sie den vermeintlich versäumten Schlaf nicht mit längeren Bettzeiten am Vormittag nach. Denn die Zeitspanne vom späteren Aufstehen bis zum kommenden Abend ist möglicherweise viel zu kurz. Es bleibt nicht genügend Wachzeit, um ausreichend Schlafdruck aufzubauen, damit das Einschlafen am kommenden Abend problemlos gelingen kann.

Regel 2: Weniger ist mehr! Zu lange Bettzeiten fördern Schlafprobleme.

Schlaflose neigen dazu, viel zu lange im Bett zu sein. Häufig deshalb, weil sie die Chancen auf Schlaf erhöhen wollen, frei nach dem Motto: „Wenn ich hier nur lange genug liege, wird der Schlaf schon irgendwann kommen.“ Andere meinen wiederum, dass, wenn sie schon nicht schlafen können, sie dann wenigstens ausreichend lange ruhen müssten. Zu lange Bettzeiten führen aber dazu, dass das Bett von unserem Unterbewusstsein gar nicht mehr mit Schlaf und Entspannung, sondern vielmehr mit Wachsein, Grübeln und Um-den-Schlaf-Ringen assoziiert wird. Letzteres führt aber zu Anspannung, und Anspannung ist der Feind des Schlafs.

Regel 3: Eine angenehme Schlafzimmeratmosphäre wirkt schlafunterstützend.

Schlaf kann nur unter völlig entspannten Bedingungen stattfinden. Wichtig ist, dass sich der Mensch körperlich und psychisch wohlfühlt. Dabei wirkt eine angenehme Schlafzimmeratmosphäre, die nichts mit Alltag, Beruf und Problemen zu tun hat, unterstützend.

Gegenstände, die an den Alltag erinnern, möglicherweise an die Arbeit oder andere belastende Gegebenheiten, sollten aus dem Schlafzimmer verbannt werden. Ebenso der Fernseher. Subjektiv angenehme Farben und Möbel können hilfreich sein.

Regel 4: Die Temperatur im Schlafzimmer sollte nicht zu hoch und nicht zu niedrig sein.

Temperaturen um die 18 Grad Celsius sind optimal. Extreme Temperaturen stellen einen Stressor für den Körper dar. Jeder hat schon die Erfahrung gemacht, wie ein zu warmes oder auch zu kaltes Schlafzimmer den Schlaf verhindern kann. Gerade in heißen Sommernächten ist es gelegentlich besonders schwierig, gut zu schlafen. Der Pyjama aus dem Kühlschrank, nur ein Bettlaken als Zudecke, eine warme Dusche vor dem Zubettgehen, warme Getränke, das feuchte Leintuch vor dem Fenster und Eiswasser in der Bettflasche stellen da meist auch nur eine kleine Einschlafhilfe dar. Manche Bettgenossen wiederum meinen, je tiefer die Temperatur im Schlafzimmer, umso tiefer sei auch der Schlaf. Im Winter herrschen dann Temperaturen im Schlafzimmer, die beim Ausatmen Nebelschwaden entstehen lassen. Auch solche extrem kühle Temperaturen sind für den Körper im eigentlichen Sinne Stress. Er muss ja Arbeit verrichten, um die Luft anzuwärmen. Arbeit ist Anspannung, und Anspannung ist der Feind des Schlafs.

Regel 5: Vermeiden Sie Schlaf am Tage.

Wenngleich der Mittagsschlaf eine gesundheitsförderliche und leistungssteigernde Wirkung hat, gilt für Menschen mit Schlafstörungen, dass sie nach Möglichkeit Schlaf am Tag vermeiden sollen. Schlaf am Tag vermindert den Schlafdruck für den Abend und fördert somit Ein- und Durchschlafstörungen sowie deren Chronifizierung.

Regel 6: Fernsehschlaf ist der Einschlafkiller Nummer eins.

Es schläft zwar ganz Deutschland auf der Couch vor dem Fernseher am besten, aber der Fernsehschlaf am Abend ist der Einschlafkiller Nummer eins. Der erste Schlafdruck wird abgebaut und das spätere Einschlafen im Bett wird aufgrund fehlender Schläfrigkeit verhindert. Weiterhin wird nach dem Schlaf auf der Couch mit der sich anschließenden körperlichen und psychischen Aktivität, wie z. B. dem Verrichten der Abendtoilette, das für Aktivität zuständige sympathische Nervensystem wieder aktiviert, dem Körper das Signal für Wachheit gegeben. Er kann sich dann im Anschluss im Bett nicht so rasch wieder auf Schlaf umstellen. Der Schläfer ist jetzt erst einmal wach.

Regel 7: Fernsehschlaf ist nicht erholsam. Vermeiden Sie den Fernseher im Schlafzimmer.

Viele Patienten haben die Erfahrung gemacht, dass sie vor dem Fernseher gut abschalten können. Der Alltag tritt in den Hintergrund, das Fernsehprogramm selbst ist oft wenig stimulierend oder anregend und es setzt Entspannung ein. Wenn man dann lange genug wach war – und das ist man in der Regel abends –, hat sich genügend Schlafdruck aufgebaut und der Schlaf tritt unbewusst und für viele auch unbemerkt ein. Viele Menschen, die nicht gut abschalten und entspannen können, machen sich diesen Effekt zunutze und nehmen den Fernseher mit ins Schlafzimmer. Allerdings ist der Schlaf vor dieser Geräuschkulisse nicht tief und fest. Fernsehgeräuschbedingt ist der Schlaf durch viele große und kleine Weckreaktionen zerstückelt. Erholsame Schlafstadien, wie Tief- und Traumschlaf, werden erst gar nicht erreicht. Am Tag fühlen sich die Betreffenden müde, schlapp, gereizt und unausgeschlafen.

Regel 8: Körperliche und sportliche Aktivität mit genügend zeitlichem Abstand zum Zubettgehen.

Viele meinen, wenn sie sich am Tag nur ausreichend auspowern, dann müsse der Schlaf zwangsläufig auftreten. Dies ist aber nicht so, vor allem wenn die sportliche Aktivität zu nahe an der Bettzeit stattfindet. Unser Körper ist noch angespannt. Ein, besser zwei Stunden Abstand zwischen sportlicher Aktivität und dem Zubettgehen aktivieren den für den Schlaf wichtigen Parasympathikus und lassen den Einfluss des für das Wachen zuständigen Sympathikus abklingen.

Regel 9: Schwere und späte Mahlzeiten sind kein gutes Betthupferl.

Schwere Mahlzeiten, noch dazu fett- und kohlenhydratreich, wie z. B. Schweinshaxe mit Knödel, sollten direkt vor dem Zubettgehen vermieden werden. Wenn ein Teil des Körpers, der Magen, Schwerstarbeit verrichtet, während der Rest des Körpers entspannt schlafen soll, passt dies nicht zusammen. Aber auch Hunger ist kein gutes Ruhekissen. Gegen eine kleine Mahlzeit am Abend, auch in der Nähe der Bettzeit, ist wenig zu sagen. Schließlich schläft der Löwe ja auch, nachdem er das Gnu aufgefressen hat.

Regel 10: Kein Koffein nach 13 Uhr.

Koffein kann bis zu 11 Stunden wirken und so den Schlaf rauben. Deswegen sollten Sie ab der Mittagszeit keinen Kaffee mehr trinken. Andererseits gibt es genügend Menschen, die trotz Koffeingenuss – auch direkt vor dem Schlafengehen – gut schlafen können. Aus diesem Grund sollte jeder sein eigener Experte werden und selbst feststellen, wie Koffein auf ihn wirkt. Im Zweifelsfall sollte es jedoch vermieden werden. Schwarzer Tee kann übrigens genauso wie Kaffee wirken. Allerdings beinhaltet eine Tasse Schwarztee (150 ml) etwa halb so viel Koffein (30–60 mg) wie eine vergleichbare Tasse Kaffee (50–150 mg). Das gilt allerdings nur, wenn der Tee nicht länger als zwei bis drei Minuten gezogen hat.

Regel 11: Alkohol ist kein gutes Schlafmittel.

Alkohol hat eine müde machende und psychisch entspannende Wirkung. Eigentlich ein optimales Mittel, um den Schlaf zu begünstigen. Aber: Alkohol unterdrückt in zu hohen „Dosen“ den Tiefschlaf, fördert Albträume und erhöht nächtliche Weckreaktionen und Wachphasen. Deswegen ist Alkohol – nicht nur bei Schlafstörungen – kein guter Ratgeber. Für den Mann gilt: nicht mehr Alkohol, als in einem viertel Liter Wein enthalten ist. Und für die Frau gilt sogar nur die Hälfte. Nicht weil man der Frau weniger gönnt, sondern weil die Leber der Frau den Alkohol im Vergleich zum Mann schlechter verstoffwechselt.

Regel 12: Schauen Sie nachts nicht auf den Wecker.

Die gedankliche Beschäftigung mit dem Schlaf, dem (fehlenden) Schlafvermögen, kann nicht unwesentlich die innere Entspannung im Schlafzimmer stören. Negative Gedanken über die Schlaflosigkeit, Befürchtungen, zu früh in der Nacht aufgewacht zu sein und nicht wieder einschlafen zu können, führen zu einer verstärkten inneren Anspannung und Unruhe, die die Schlafstörung weiter verstärkt. Ein erster Hinweis im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Behandlungen unserer Patienten ist darauf ausgerichtet, nachts den Wecker aus dem Sichtfeld zu verbannen und nachts nicht mehr auf die Uhr zu schauen. Gerade für Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen, die von ihrer Persönlichkeitsstruktur bereits ein hohes Kontrollbedürfnis aufweisen, ist ein gelassener Umgang mit dem Schlaf von therapeutischer Wichtigkeit und ein erster Schritt in Richtung gesunder Schlaf. Nur wer loslassen und entspannen kann, erfährt Schlaf. Zu starke nächtliche Kontrolle ist anspannungserhöhend und damit schlafstörungsverstärkend.

Regel 13: Nicht nur Kinder profitieren von einem Einschlafritual!

Führen Sie (vorübergehend) ein Einschlafritual ein. Ein Einschlafritual hat die Funktion, zwischen Alltag und Bettsituation einen Puffer herzustellen. Dieser Puffer dient dem Schläfer dazu, sich von den anspannenden Aufgaben und Anforderungen des Alltags zu distanzieren und die für das Einschlafen notwendige Entspannung sowohl auf körperlicher als auch psychischer Ebene herzustellen.

Finden Sie Ihr individuelles Schlafritual, das Sie persönlich am besten entspannt. Dies kann das abendliche Lesen einer leichten Lektüre, Musik hören oder ein entspannender Abendspaziergang sein.

Regel 14: Stoppen Sie das Gedankenkarussell und entpflichten Sie sich am Abend rechtzeitig.

Ungefähr eine Stunde bevor Sie ins Bett gehen, sollten Sie innerlich Feierabend machen und die großen und kleinen Sorgen vor der Schlafzimmertür lassen. Entspannung ist der Königsweg in den Schlaf. Im Bett einmal angekommen, ist alles erlaubt, was die schlafförderliche Entspannung herbeiführt. Ein gutes Buch lesen, ein Hörbuch hören, Entspannungsverfahren durchführen – erlaubt ist, was gefällt. Dabei gibt es nicht die eine richtige Methode. 1000 Wege führen nach Rom, also in die schlafförderliche Entspannung. Aber vielleicht doch ein kleiner Tipp: Viele meiner Patientinnen und Patienten hören wieder die Märchenkassetten aus der Kindheit. Sie lenken das Gehirn von belastenden Gedanken ab und fördern Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit, wie man sie oft als Kind beim Hören der Kassetten erlebt hat. Diese Gefühle sind die Autobahn in die Entspannung.

 

Ist ein Powernap wirklich effektiv und wie lang sollte er sein?

Dr. Weeß: In der jüngeren Vergangenheit konnten einige Untersuchungen den leistungssteigernden Effekt eines kurzen Schlafs belegen. Egal, ob man ihn Powernap, Nickerchen oder Siesta nennt – dieser kurze Schlaf wird optimalerweise am frühen Nachmittag während des Leistungstiefs abgehalten. Zehn Minuten können bereits ausreichend sein, auf keinen Fall sollte das Nickerchen länger als 30 Minuten andauern, da sich der Effekt dann möglicherweise ins Gegenteil verkehrt: Anstatt wach macht er dann nämlich immerhin zwei Drittel von uns müde und tranig. Warum? Je länger wir schlafen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass wir in den REM-Schlaf kommen. Ein Schlafstadium, auf das viele sehr sensibel reagieren. Sie verfallen quasi in eine Minidepression am Nachmittag.

Kurz und knackig gehalten macht das Nickerchen aber nicht nur wach: Forscher der Universität Hertfordshire konnten zeigen, dass ein Mittagsschlaf auch zufrieden und ausgeglichen macht. Darüber hinaus fördert das kleine Nickerchen die Gesundheit und ein langes Leben. Um Ihr Herz-Kreislauf-Risiko um bis zu 60 Prozent zu reduzieren und Ihre Lebenserwartung zu erhöhen, sollten Sie sich mindestens dreimal pro Woche nachmittags hinlegen und schlafen.

 

Wieso können sich manche Menschen an ihre Träume erinnern und andere nicht – oder ist es auch möglich, nicht zu träumen?

Dr. Weeß: Jeder Mensch träumt. Wenn wir einmal 75 Jahre alt geworden sind, hatten wir zwischen 100.000 und 150.000 Träume, waren der Regisseur unserer eigenen nächtlichen Kinofilme. Unsere Traumerinnerungsfähigkeit kann aber sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Obwohl alle Menschen träumen, können sich manche gut an ihre nächtlichen Fantasy- oder Horrorfilme erinnern, andere weniger. Wenn sich all diejenigen mit einer schlechten Traumerinnerungsfähigkeit ab heute jeden Morgen für nur fünf Minuten Zeit nehmen und überlegen, was sie nachts geträumt haben, werden auch sie in wenigen Wochen morgens sprudeln vor Traumberichten. Unsere Traumerinnerungsfähigkeit ist wie ein Muskel, den man trainieren kann! Frauen scheinen sich übrigens häufiger an Träume zu erinnern, was aber nicht darauf zurückzuführen ist, dass ihr Traumerinnerungsmuskel begabter ist oder sie emotionaler träumen. Nein, vermutlich hat es einfach damit zu tun, dass sich Frauen mehr für ihre Träume interessieren und ihre Erinnerungsfähigkeit infolgedessen besser trainiert ist.

 

Wieso schlafwandeln manche Menschen?

Dr. Weeß: Die meisten Schlafwandler sind harmlos. Manche setzen sich einfach im Bett auf, fummeln an ihrer Bettdecke herum, nuscheln etwas Unverständliches und lassen sich wieder zurück in die Kissen sinken. Andere verlassen das Bett, öffnen Schrank- oder Kühlschranktüren, Schubläden und Fenster oder gehen die Treppe auf und ab. Die meisten tun Dinge, die ihnen vom Alltag her vertraut sind.

Beim Schlafwandeln handelt es sich um eine inkomplette Weckreaktion aus dem Tiefschlaf, weshalb es auch als Aufwachstörung bezeichnet wird. Die Schlafwandelepisode tritt typischerweise 60 bis 90 Minuten nach dem Einschlafen, am Ende der ersten Tiefschlafphase, auf. Selten später. Ein Teil des Gehirns schläft noch, während ein anderer Teil sich im Wachzustand befindet. Je nachdem, wie viel von unserem Gehirn wach oder schlafend ist, kann das Verhalten mehr oder weniger komplex sein.

Kinder sind häufiger betroffen als Erwachsene: In der Kindheit wandelt statistisch gesehen jedes fünfte Kind mindestens einmal. In der Regel wächst das Schlafwandeln mit der Pubertät aus. Bei Erwachsenen ist nur einer von hundert betroffen.

Die Ursachen des Schlafwandelns sind nicht eindeutig geklärt. Bei Kindern ist wohl der Reifungsprozess des Gehirns, der im Laufe der Entwicklung verschiedene Stadien durchläuft, mitverantwortlich zu machen. Es lassen sich allerdings auch Risikofaktoren und Auslöser feststellen. Manchmal hilft es schon, diese zu reduzieren und zu meiden: Verstärkend auf das nächtliche Wandeln wirkt alles, was den Tiefschlafanteil erhöht oder Weckreaktionen aus dem Schlaf fördert. Dazu zählen die Geräuschkulisse, wie sie etwa bei einem gemeinsamen Kinderschlafzimmer mit Geschwistern gegeben ist, aber auch organische Reize wie eine gefüllte Blase.

Schlafmangel, Stress, Drogen, Depressionen, Schichtarbeit und manche Medikamente gegen Schlafstörungen können das Schlafwandeln begünstigen. Da bei Erwachsenen, die vorher noch nie schlafgewandelt sind, vereinzelt auch organische Ursachen verantwortlich sind, wird eine weiterführende Abklärung empfohlen. Ansonsten besteht sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen nur dann Behandlungsbedarf, wenn tagsüber massive Müdigkeit auftritt oder Gefahr für Leib und Leben besteht. Aufgrund des hohen Selbst- und Fremdgefährdungspotenzials des Schlafwandelns ist die Aufklärung in Sachen Sicherheitsmaßnahmen ein wichtiger Behandlungspfeiler.

 

Warum reden manche Menschen im Schlaf?

Dr. Weeß: Sprechen im Schlaf ist gar nicht so selten. Viele reden Unverständliches und es ist nicht so, dass man von dem Schlafenden bei einer entsprechenden Befragung Geheimnisse erfahren würde, welche der Schläfer im Wachen nicht preisgeben würde. Die Ursachen des Sprechens im Schlaf, im Fachbegriff „Somnolique“ sind nicht genau bekannt. Vermutlich ist das Sprechen im Schlaf ein Stressphänomen, denn Menschen mit viel Stress oder Belastungen, welche sie nicht gut verarbeiten können, sprechen häufiger im Schlaf als entspannte Bettgenossen.

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