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Familie 03/2024
Mutter und Tochter meditieren mit einer Gesichtsmaske und Gurken.

Grenzen und Selbstfürsorge in der bedürfnisorientierten Erziehung

In Zeiten der bedürfnisorientierten Erziehung fällt es vielen Eltern schwer, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, geschweige denn auf sie zu achten und eigene Grenzen zu wahren – warum das aber unerlässlich ist und wie es im Alltag gelingen kann, verraten wir Ihnen in diesem Artikel.

Heute ist es oft so, dass die Kinder in der Familie im Mittelpunkt stehen. Vom ersten Tag an wird versucht, die Bedürfnisse des Babys sofort zu erkennen und zu erfüllen – und das ist auch gut und genau richtig so. Denn nur wenn ein Baby lernt, dass sich seine Bezugspersonen zuverlässig darum bemühen, seine Bedürfnisse zu erkennen und im besten Fall auch zu erfüllen, kann es lernen, dass die Welt ein schöner Ort ist und das allseits bekannte Urvertrauen entwickeln – ein Geschenk für das ganze Leben! So weit, so gut – wo liegt nun das Problem?

Problematisch, fordernd und wahnsinnig anstrengend wird es, wenn wir – auch weit über die Babyzeit hinaus – versuchen, diese permanente und sofortige Bedürfniserfüllung unserer Kinder immer aufrechtzuerhalten. Mit Problemlösungen, Entertainment und Beschäftigungsideen rund um die Uhr. Dabei dürfen Kinder nach und nach lernen, dass andere Menschen/Familienmitglieder auch Bedürfnisse haben und im Laufe der Zeit etwas Frustrationstoleranz entwickeln. Unser Job ist es nicht, unsere Kinder 24/7 glücklich und zufrieden zu machen und ihnen alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, sie durch schwierige Situationen liebevoll zu begleiten und trotzdem bei uns und unseren Werten zu bleiben. Wie ein Leuchtturm, der Orientierung und Sicherheit gibt.

Wer ständig nur im Mittelpunkt steht, kann kein Teil der Gemeinschaft sein

Kinder möchten ein Teil der Gemeinschaft sein. Sie fühlen sich sicher, gesehen und gleichwertig, wenn sie ihren Teil zu dieser Gemeinschaft beitragen und Verantwortung übernehmen dürfen. Permanent im Mittelpunkt zu stehen, überfordert sie hingegen.

(Klein-)Kinder benötigen Menschen, die Grenzen haben. Sie lernen damit über andere Menschen aber auch über sich selbst. Was mag ich, was mag ich nicht, wozu sage ich „ja“ und wozu „nein“ und wie kann ich das zum Ausdruck bringen? Was ärgert mich und wie gehe ich mit meinen Gefühlen um? Fehlt es an der Führung und der Klarheit der Erwachsenen, übernehmen die Kinder diese Führung, sind damit aber völlig überfordert. Elterliche Führung gibt Kindern Halt und Sicherheit.

Grenzen setzen: Auf die innere Haltung kommt es an

Am wichtigsten beim Grenzen setzen sind die eigene innere Klarheit und der liebevolle Blick aufs Kind. Wir können das, was wir als Eltern für unsere Kinder für wichtig und richtig empfinden, auch liebevoll durchsetzen – ohne dabei immer deren Zustimmung zu erwarten.

Keine Frage: Für Kinder ist es von Vorteil, in einer überwiegenden „Ja-Umgebung“ aufzuwachsen und nicht ständig nur ein Nein nach dem nächsten zu hören. Wie oft haben Sie aber schon „ja“ gesagt oder Ihr Kind gewähren lassen, obwohl Sie eigentlich lieber „nein“ gesagt hätten? Jeder Mensch hat andere Grenzen. Auch Mama und Papa haben verschiedene – und auch das dürfen Kinder lernen. Lasse ich mein Kind jetzt die Badschublade ausräumen und habe dadurch zumindest 10 Minuten Zeit, mich in Ruhe fertig zu machen? Für den einen völlig okay, für den anderen eben nicht. Und das gilt für ganz viele Situationen und Dinge im täglichen Leben.

Was helfen kann, ist kurz in sich zu gehen und sich zu fragen „Wie wichtig ist mir dieses „Nein“? Geht es hier um Werte, die mir wichtig sind, oder ist es nur ein gelerntes „das macht man doch nicht“? Und wenn es Ihnen wichtig ist, bleiben Sie klar bei Ihrem „Nein“ und setzen Sie es – mit liebevoller innerer Klarheit – durch! Es muss auch nicht immer lange und ständig wiederholte Erklärungen und Begründungen geben. Die gelten meistens eher uns selbst, um uns von unserem eigenen „Nein“ zu überzeugen und uns vor uns selbst zu rechtfertigen. Eine kurze Erklärung/Begründung reicht. Und die Kinder dürfen unser „Nein“ anschließend auch doof finden und weinen/schimpfen – geben wir Ihnen diese Zeit und bleiben dabei ruhig bei uns selbst, ohne direkt immer das Bedürfnis zu haben, sie wieder aufmuntern oder mit etwas anderem ablenken zu wollen. Denken Sie immer daran: Auf die liebevolle, innere Haltung zum Kind kommt es an! Wir können mitfühlend sein und zugleich klar bei uns und unseren Grenzen/Werten bleiben.

5 Eltern-Tipps zur Selbstfürsorge für mehr Leichtigkeit im Alltag

Kinder lernen durch unser Vorbild: Wenn Mama und Papa sich guten Gewissens – liebevoll – abgrenzen können und auch ihre eigenen Bedürfnisse im Blick haben, werden es die Kids später mit großer Wahrscheinlichkeit auch können. Darüber hinaus sind Eltern auch entspannter und können mit schwierigen Situationen besser umgehen, wenn die eigenen Bedürfnisse nicht immer hintenanstehen und dauerhaft unerfüllt bleiben.

Beispiele, wie Sie sich im Alltag gegenseitig unterstützen können:

1. Gegenseitige Freiräume schaffen

Schaffen Sie sich bewusst gegenseitig Auszeiten, in denen jedes Elternteil etwas nur für sich tun kann. Ob Sport, spazieren gehen, lesen, einen Kumpel oder eine Freundin zum Kaffee treffen – machen Sie, was immer Ihnen guttut und gönnen Sie auch Ihrem Partner/Ihrer Partnerin diese Zeit für sich. Machen Sie sich bewusst: Me-Time ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.

2. Wöchentliche „Wie geht’s dir?“-Gespräche

Nehmen Sie sich wöchentlich mind. 15 Minuten Zeit. Jeder Partner/jede Partnerin erzählt nun, was sie oder ihn aktuell beschäftigt, wie es ihm/ihr geht, worüber er/sie sich sorgt usw. Wichtig: Der/die jeweils andere hört dabei nur zu, ohne etwas dazu zu sagen, zu bewerten, zu kommentieren. Danach wird getauscht. So bleiben Sie in Verbindung und wissen, was den anderen/die andere beschäftigt.

3. Paarzeit

Versuchen Sie, sich regelmäßig feste Paarzeiten einzuplanen – je nach Alter der Kinder und Betreuungsmöglichkeiten außerhalb oder innerhalb der eigenen vier Wände. Diese Zeiten sollten fix im Familienkalender stehen. Man kann mit einmal im Monat beginnen und dann schauen, wie es passt. Was gemacht wird, wird im Wechsel überlegt und ggf. organisiert.

4. Family-Zeit

Wir haben es oben geschrieben: Es ist nicht unsere Aufgabe, unsere Kinder rund um die Uhr zu entertainen und für Programm zu sorgen. Wenn Sie sich den Raum für einzelne Unternehmungen als Familie schaffen, die ALLEN Familienmitgliedern Spaß machen, füllen Sie den Bindungstank und das Spiel-und-Spaß-Bedürfnis der Kids.

5. Kinder einbinden

Sie müssen den Haushalt und Ihre Erledigungen nicht machen, wenn die Kleinen schlafen. Bieten Sie z. B. an: Ich räume jetzt den Geschirrspüler aus. Möchtest du mir dabei helfen oder lieber etwas spielen? Schon Anderthalbjährige räumen liebend gern z. B. den Besteckkorb aus. Und auch diese Zeit, in der gemeinsam etwas erledigt wird, kann ganz bewusst für Verbindung genutzt werden. Langeweile und Unmut beim Nicht-helfen-wollen – das betrifft häufig eher die schon etwas größeren Kinder – können übrigens einfach ausgehalten werden (ohne darüber zu schimpfen). Es braucht etwas Zeit, aber die Kids werden Ideen suchen und finden.

Machen Sie sich bewusst: Sie als Eltern leben Ihren Kindern vor, wie Beziehung geht und wie Familie funktioniert. Daran werden sie sich orientieren und genau das werden sie für richtig halten. Es lohnt sich also, sowohl Ihre Partnerschaft als auch ihr Familienleben nach Ihren Maßstäben so zu gestalten, wie Sie es sich – auch für Ihre Kinder später – wünschen. Das muss nicht immer perfekt sein und Rückschläge und Tiefen gehören – wie auch sonst im Leben – dazu. Auf die Basis und einen grundsätzlich liebevollen und wohlwollenden Umgang miteinander kommt es an.

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