Core-Training: Workout für eine starke Körpermitte
Arbeiten am Computer, netflixen auf dem Sofa: Die meisten von uns verbringen viel zu viel Zeit im Sitzen – kein Wunder, dass da oft der Rücken schmerzt. Doch wir können gegensteuern, indem wir unsere Körpermitte mit gezieltem Training stärken.
Bei vielen Menschen mit Rückenbeschwerden kann der Arzt keine eindeutige Ursache feststellen. Hervorgerufen werden solche unspezifischen Schmerzen oft durch eine schwache Rumpfmuskulatur. Der Rumpf – häufig auch als Körpermitte oder Core bezeichnet – besteht aus Brustkorb, Brust, Bauch, Rücken und Becken. Die Rumpfmuskulatur stabilisiert diesen zentralen Bereich des Körpers und ist an fast allen Bewegungen beteiligt. Ronald Thomschke ist Fitness- und Präventionstrainer, Sportdozent und Autor mehrerer Bücher. Wir haben ihn gefragt, worauf es bei einer starken Körpermitte ankommt und wie ein effektives Training aussehen sollte.
Herr Thomschke, warum ist eine starke Körpermitte so entscheidend?
Die Körpermitte hat wesentlichen Einfluss auf unser Gleichgewicht und die Körperstabilität. Gleichzeitig beeinflusst sie die Koordinationsfähigkeit, unsere Beweglichkeit und nicht zuletzt auch die Körperhaltung. Eine gut ausgeprägte Rumpfmuskulatur macht uns zudem weniger anfällig für Rückenschmerzen.
Welche Muskelgruppen gehören überhaupt zur Rumpfmuskulatur?
Zur Rumpfmuskulatur gehören mehrere Muskelgruppen der Körpermitte, unter anderen die Beckenbodenmuskulatur, die gesamte Bauchmuskulatur, die Rückenstreckmuskulatur sowie Muskeln des Gesäß- und Hüftbereichs.
Inwiefern ist es wichtig, nicht nur Bauch- oder Rückentraining zu machen, sondern alle Muskelgruppen zu trainieren?
Dafür gibt es mehrere Gründe: Zunächst einmal arbeitet ein Muskel niemals allein. Er wird zum einen durch Hilfsmuskeln, sogenannte Synergisten, unterstützt. Und er benötigt zum anderen einen Gegenspieler, um sich nach einer Kontraktion wieder strecken zu können. Für alle Gegenbewegungen sind also weitere Muskeln notwendig. Damit dieses Zusammenspiel richtig funktioniert, müssen Spieler und Gegenspieler in einem ausgeglichenen Spannungs- und Kräfteverhältnis zueinander stehen. Hinzu kommt, dass alle Muskeln über Faszien funktionell miteinander verbunden sind und sogenannte Muskelketten bilden. Diese übertragen Kräfte, stabilisieren den Körper und richten ihn gegen die Schwerkraft auf. Gibt es in einem Bereich der Kette eine Schwachstelle, können wir unter anderem Kräfte nicht mehr vollständig übertragen und Bewegungen nicht mehr wie vorgesehen ausführen. Zudem können Beschwerden entlang der Muskelkette auftreten. Last but not least: Gerade für Anfänger ist ein umfassendes Ganzkörpertraining ideal, um die Kraftausdauer zu verbessern und die Fettverbrennung anzukurbeln.
Was passiert, wenn einzelne Muskelgruppen nicht trainiert sind?
Hier möchte ich noch einmal auf das Spieler-Gegenspieler-Prinzip zurückkommen: Gerät der normalerweise ausgeglichene Spannungszustand zwischen den Muskeln durch Bewegungsmangel oder falsches Training aus der Balance, wirkt er sich negativ auf die Gelenke und die Stellung der Knochen aus und beeinflusst dadurch auch unsere Körperhaltung. Ärzte und Physiotherapeuten sprechen von einer muskulären Dysbalance, die auf Dauer Muskel- und Gelenkschmerzen hervorruft und durch Fehlhaltungen wie zum Beispiel den Rundrücken oder das Hohlkreuz sichtbar wird. Fehlhaltungen und Schmerzen beeinflussen wiederum unsere Beweglichkeit.
Welche Bereiche „vergessen“ wir denn gemeinhin besonders oft beim Training?
Da gibt es eine Vielzahl an Muskeln. Nach meinen Erfahrungen sind es die Muskeln der Oberschenkel-Rückseiten und -Innenseiten, die Muskeln der Rotatorenmanschetten, die das Schultergelenk stabilisieren, der quere Bauchmuskel, die tiefe Rumpfmuskulatur – hier unter anderem die Beckenbodenmuskulatur und die Rückenstreckmuskulatur – sowie der Trapezmuskel im mittleren und oberen Rückenbereich.
Wie oft und lange muss man trainieren, um einen Effekt zu spüren?
Sinnvoll wären zwei Trainingseinheiten pro Woche, beginnend mit einer Erwärmung von 10 Minuten und einem folgenden Kraft- oder Kraftausdauertraining von circa 45 Minuten. Abschließend würde ich noch ein Dehnungsprogramm von 10 Minuten empfehlen oder einen zusätzlichen Trainingstag pro Woche für Stretching und Faszientraining einplanen.
Kann man stattdessen auch kürzer und dafür häufiger trainieren?
Mit kürzeren Trainingseinheiten wird es nicht gelingen, die Muskeln nachhaltig zu kräftigen oder sichtbare Erfolge zu erzielen. Aber: 5 bis 10 Minuten Workout eignen sich hervorragend dazu, den Kopf freizubekommen, die Durchblutung anzuregen und einseitige Muskelbelastungen, beispielsweise durch Dauersitzen, zu reduzieren.
Gibt es eine effektive Übung, die man auch zwischendurch gut durchführen kann?
Da möchte ich den Einbeinstand empfehlen: Auf einem Bein stehen, ohne sich an einem Gegenstand festzuhalten – mal auf dem linken, mal auf dem rechten Bein. Das kann man auch mal beim Telefonieren probieren. Der Einbeinstand trainiert die Koordination und spricht die Bein- und Rumpfmuskulatur an. Wenn man diese kleine Übung barfuß durchführt, ist der Effekt noch größer.