Wie Babys durchschlafen lernen und Eltern unterstützen können
Wie können Babys lernen, durchzuschlafen und wie können Eltern unterstützen? Das verrät Ihnen unsere Expertin Dr. Daniela Dotzauer.
Inhaltsübersicht
Wenn das Baby in den ersten Monaten erfahren hat, dass das Einschlafen leicht geht und es sich an eine Einschlafroutine gewöhnt hat, dann sind das beste Voraussetzungen zum Erlernen des Durchschlafens. Denn das Baby hat eine Schlaferwartungshaltung entwickelt und kann nun schon ein bisschen mithelfen beim Einschlafen (zum Beispiel mit Schnuller und Kuscheltier). Um auch das Durchschlafen zu ermöglichen, ist es wichtig zu verstehen, was im Kopf eines Babys vorgeht und welche Entwicklungsschritte bevorstehen.
Unsere Expertin für Babys- und Kleinkinder: Dr. Daniela Dotzauer
Dr. med. Daniela Dotzauer ist Ärztin und selber Mutter von zwei Kindern. Die ausgebildete Eltern-Kind-Beraterin ist Profi, was das Thema Baby- und Kinderschlaf angeht, und zeigt, wie Eltern ihr Kind bei einem gesunden Schlaf unterstützen können. Dr. Dotzauer war lange Zeit in der Schreibaby-Ambulanz des Kinderzentrums München tätig und hat eine Hausbesuchspraxis im Würmtal sowie im Großraum München.
Schlafzyklus & Hirnreife: Was passiert bei Babys um den 6. Monat?
Der große erste Reifungsschub mit drei Monaten ist vorbei, das Baby wird älter, reifer und allerlei anstrengende Veränderungen treten nun auf. Ab dem 4. und 5. Monat nehmen die Kinder immer mehr wahr, sie entdecken die Welt und sind mit 6 Monaten unglaublich aufmerksam. Sie sind sehr interessiert an allem und dadurch sehr ablenkbar. Zum Stillen/Trinken tagsüber haben sie kaum mehr Geduld und Zeit, denn es gibt so viel spannenderes zu entdecken. So tritt die Nahrungsaufnahme am Tage in den Hintergrund, insbesondere dann, wenn nachts die unbeschränkte Möglichkeit zum Ausgleich des Kaloriendefizits besteht.
Auch im Gehirn passiert unglaublich viel: Es kommt zur Verbindung der beiden Hirnhälften und es besteht ein Maximum an Synapsenbildung. Diese Hirnumbauprozesse gehen nicht spurlos am Kinderschlaf vorbei. Tagsüber erwacht das Baby jetzt oft nach 30 Minuten und auch der Nachtschlaf wird unruhiger und plötzlich erwacht das Baby in diesem Alter nachts ziemlich genau alle 2 Stunden. Das hat schlafphysiologische Hintergründe. Die Schlafzyklen, welche Leicht-,Tief-, REM-Schlaf und Wachphasen beinhalten, werden nachts mehrfach durchlaufen und so gehört das Zwischenerwachen genauso zur Nacht, wie unterschiedliche Schlaftiefen. Bei jedem Wechsel der Schlaftiefe kann das Gehirn erwachen – Babys sind „Schlafanfänger“ und müssen erst lernen die Schlafphasen zu verbinden.
Das häufige Erwachen im Schlafphasenwechsel ist also typisch für dieses Alter, es ist ganz normal und sollte nicht automatisch mit Hungergefühlen fehlgedeutet werden. Die Babys vergewissern sich, ob noch alles in Ordnung ist. Dabei vergleichen sie die Erwachens- mit der Einschlafsituation und sind irritiert, wenn diese sich unterscheiden. Wer mit Einschlafstillen/Tragen in den Schlaf gezaubert wurde, erwartet beim Erwachen die Mutterbrust im Mund oder den elterlichen Arm. Wenn sich das anders darstellt, gibt es häufig „Alarm“ und das Baby wird unruhig. Die Mutter versucht in der Regel die Welt wieder zu ordnen, in dem sie erneut stillt oder trägt. Es wird durch Brust oder Flasche zwar meist schnelles Weiterschlafen erreicht, doch ganz nebenbei wird das Baby so satt, dass es bis in den Tag hineinreicht.
"Babys Schlafzyklen teilen sich in Leicht-,Tief-, REM-Schlaf und Wachphasen auf."
Podcast Happy Familie – #3 So lernen Babys im 4. – 7. Monat „Aufwachen ist kein Problem“
Weiterschlafservice: Wie Eltern die Eigenregulation des Babys blockieren
Jede Form von „Weiterschlafservice“ (z. B. Tragen, Schlafstillen, Pezziball, Federwiege), wird vom Kind dankend angenommen, denn Eltern und Kind wollen nachts möglichst schnell wieder einschlafen. Das Baby gewöhnt sich an diese Routine und fordert diese auch lauthals ein (quasi alle zwei Stunden). So wird sehr schnell ein Erregungszustand erreicht, was das Weiterschlafen erschwert oder gar unmöglich macht. In der nächsten Erwachenssituation kommt für das Baby nur wieder das erwartete, gewohnte Verhaltensmuster in Frage, denn jede Verhaltensveränderung wird durch den kindlichen Protest häufig im Keim erstickt. Deshalb werden diese Muster oft sehr lange, teilweise über Jahre hinweg aufrechterhalten. Und so kommt es, dass Kinder jeden Alters, nachts regelmäßig trinken, hochgenommen werden wollen, an den Eltern fummeln, saugen, an deren Haaren drehen und ein Ausstieg aus diesem Kreislauf für die Eltern unmöglich erscheint.
Kindliche Eigenregulation - was bedeutet das?
Das heranwachsende, reifere Baby ist schon in der Lage sehr viel zu lernen. Altersgemäß entwickeln sich selbstregulative Fähigkeiten, das allerdings nur wenn diese nicht blockiert, sondern gefördert werden. Wenn also die Eltern grundsätzlich den Beruhigungs- und Einschlafjob des Kindes komplett übernehmen, verhindern sie damit die Eigenregulation des Babys. Und das bedeutet: Elternhilfe blockiert Eigenhilfe.
Zwar wird beim gerne praktizierten Einschlafstillen/Einschlafen an der Flasche Nähe, Geborgenheit, glückseeliges Sattwerden und Einschlafen ermöglicht, doch der Eigenanteil des Kindes am Beruhigen und Einschlafen besteht lediglich aus Saugen und Schlucken. Auch andauernde Bewegungsimpulse (Tragen, Pezziball, Federwiege) sind ungünstig und gaukeln dem Kind eine immerfort bewegte Welt vor, die nachts allerdings stillsteht und die sich erst durch Schreien wieder in Bewegung setzt. Diese Einschlafassoziationen werden also in der Nacht bei jedem Erwachen lauthals eingefordert - kein Wunder, wenn das Baby keine andere Idee vom Einschlafprozess hat.
Im Gegensatz dazu kann das gleich alte (satte) Baby, welches durch eine Einschlafroutine schon gelernt hat, etwas mitzuhelfen beim ruhig und schlafbereit werden, zufrieden Schnullern, am Kuscheltuch fummeln, der elterlichen Stimme lauschen und sich mit Wohlgefühl dem Schlaf überlassen. Dieses Baby hat deutlich mehr Eigenanteil am Einschlafen und damit schon mehr Selbstregulation gelernt. Wenn in der Nacht also Wiedereinschlafen nötig ist, können sich die Eltern zurücknehmen und so dem Kind die Möglichkeit geben, seine eigenregulativen Fähigkeiten zu entdecken und zu üben.
Mit "Weiterschlafsprache" durchschlafen lernen
Wir wissen nun: Kinder müssen geborgen, satt, müde, zufrieden und schlafbereit sein, um gut einschlafen zu können. Haben sie eine schlafhinführende Einschlafroutine gelernt, können sie auch abends im Vorfeld gestillt, dann „runtergekuschelt“ und im Bett zunehmend selbstständiger einschlafen. Sie haben gelernt, dass Einschlafen ganz leicht geht. Wenn sie dann nachts erwachen, ist es anfangs notwendig prompt aber moderat zu helfen. Später wird die Hilfe immer mehr zurückgenommen und das Kind lernt sich selbst zu beruhigen.
Gerne möchte ich alle Eltern dazu ermutigen, beim typischen Zwischenerwachen ihren Schlafanfängern das Weiterschlafen zu lehren: das heißt, gemeinsam mit dem Baby eine „Weiterschlafsprache“ zu erlernen. Diese kann in der Nacht folgendermaßen aussehen: Leise „Sch-sch-sch-Geräusche“ oder ruhig flüstern „alles gut“. Wichtig ist, Blickkontakt zu vermeiden, stattdessen rhythmisches Popoklopfen, sanftes Bewegen, eventuell kurzes Umbetten in eine neue Schlafposition („bitte wenden“), streicheln, Kuscheltuch/tier, Schnuller geben, singen, summen, Wohlfühlgefühl liefern, Bettchen hin und her fahren und möglichst schnell weiterschlummern und nicht automatisch stillen oder rausnehmen.
Dieses Vorgehen fördert die eigenregulativen Fähigkeiten des Babys und die physiologischen Schlafabläufe werden nicht gestört oder unterbrochen. Damit unterstützen die Eltern die kindliche Schlaf-Wach-Organisation und das Baby kann erfahren, dass kurzes Zwischenerwachen kein Grund zum vollständigen Aufwachen ist und schon gar kein Grund zum andauernden Essen/Stillen/Trinken.
Merke: Der Schlaf-Modus sollte aufrechterhalten und nicht durch Trinken oder Herausnehmen gestört werden. Eltern sollten Ihr Kind lehren, dass Aufwachen kein Problem, sondern normal ist - es ist ein Anlass zum Weiterschlafen nicht zum Essen.
Natürlich sollte altersgemäß und mit sinnvollen Abständen auch gestillt oder die Flasche gegeben werden, z. B. ein bis zwei Mal in der Nacht. Meine Empfehlung ist es dem Baby zu transportieren, dass in der Nacht geschlafen und wenig gegessen wird. Tagsüber achten wir auf häufigere, regelmäßige Mahlzeiten und ausreichende Kalorienversorgung. Ab dem 6. Monat können Kinder lernen Ihren Kalorienbedarf (überwiegend) tagsüber zu decken. Das schaffen sie aber nur, wenn sie in der Nacht (wenig) keine Kalorien zu sich nehmen.
Voraussetzung für die kindliche Eigenregulation
Eltern helfen nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich – und irgendwann gar nicht mehr. Natürlich muss im Verlauf die elterliche Hilfe schrittweise zurückgenommen werden, damit das Kind im gleichen Maße lernt, sich selber zu regulieren. Zu Beginn gibt’s beim Zwischenerwachen Sch-sch-sch-Geräusche, Lagekorrektur, Schnuller und Kuschel in die Hand. Im nächsten Schritt gibt’s wieder die bekannten Sch-sch-sch-Geräusche und die Einschlafhilfen wandern nur noch in die Nähe der Hand, sodass sich das Baby den Schnuller bzw. das Kuscheltuch/tier selbst greifen kann. Und schlussendlich kommt nur noch ein Sch-sch-sch-Geräusch und das Baby holt sich Schnuller und Kuschel selbst im Halbschlaf, dreht sich um und muggelt sich zurecht. Eltern bemerken dieses Zwischenerwachen dann gar nicht mehr. Sie verkünden stolz: Mein Kind schläft durch!
Grundstein für eine gute Schlafkultur
Eltern zeigen dem Baby, dass Schlafen ganz leicht geht, eine positive Erfahrung sein kann und fördern mit schrittweisem Zurücknehmen die Eigenregulation des Kindes. Wichtig für Eltern zu wissen, ist also:
- welche genannten Zusammenhänge mit der Schlafthematik einhergehen
- dass die zweistündige Nachfrage nach Weiterschlafhilfe nicht automatisch immer mit Essen/Trinken/Bewegung, sondern mit Beruhigung zu tun hat
- dass grundsätzlich mehr Augenmerk auf das Beruhigen gelegt wird
- dass eine Weiterschlafsprache helfen und erlernt werden kann
- dass Eltern ihre Co-Regulation altersgemäß zurücknehmen und so ihre Kinder in die Eigenregulation führen können
- dass die anstehenden Entwicklungsaufgaben zum altersgemäßen Zeitpunkt gemeinsam bewältigt werden können
Wenn Eltern diese Zusammenhänge verstanden haben, könnten sie einen Grundstein legen für eine lebenslang gute Schlafkultur.
"Die Einschlafsprache lernen Sie zusammen mit Ihrem Baby, individuell und auf Sie und Ihr Kind zugeschnitten"
Dr. Daniela Dotzauer
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