Growth Mindset – warum es wichtig ist, wie wir scheitern
Wie wir mit Niederlagen umgehen und was das über unser Selbstbild aussagt.
Zwei Menschen bekommen eine unlösbare Aufgabe gestellt. Auf der Suche nach einer Lösung hört der eine schließlich auf und denkt, er sei gescheitert. Er habe einfach kein Talent für diese Aufgabe oder sei nicht intelligent genug. Der andere hingegen überlegt, prüft und tüftelt mit Hingabe und vielleicht auch Spaß an einem Ergebnis. Auch wenn er die Aufgabe nicht gelöst bekommt, empfindet er die Arbeit, die er hineingesteckt hat, als positiv. Zum Beispiel, weil er viel für sich selbst oder für eine andere Aufgabe daraus mitnehmen konnte.
Die amerikanische Psychologin und Motivationsforscherin Carol S. Dweck forscht seit über 30 Jahren in diesem Bereich und definierte vor einigen Jahren die Begriffe „Growth Mindset“ (wachsende/flexible Mentalität) und „Fixed Mindset“ (starre Mentalität). Menschen mit einem Growth Mindset sind überzeugt, dass sie sich nur ausführlich genug mit einer Aufgabe beschäftigen müssen, um sie zu lösen. Menschen mit einem Fixed Mindset hingegen gehen davon aus, dass Talent und Begabung eine Rolle dabei spielen, ob sie eine Aufgabe lösen können oder nicht. Sie begreifen das Scheitern an einer Aufgabenstellung als persönliche Niederlage.
Dwecks Überlegung, ob das Mindset angeboren oder anerzogen ist, veranlasste sie zu einem spannenden Experiment: Hierzu führte sie eine Forschungseinheit mit Grundschülern durch. Zwei Gruppen von Kindern bekamen die gleiche leichte Aufgabe gestellt. Während die eine Gruppe bei der richtigen Lösung für ihre Intelligenz gelobt wurde, lobten die beteiligten Erwachsenen die andere Gruppe dafür, dass sie sich viel Mühe gegeben haben.
In der folgenden Beobachtung zeigte sich, dass die für ihre Intelligenz Gelobten häufig an den nächsten Aufgaben scheiterten bzw. keine „schweren“ Aufgaben mehr lösen wollten. Sie zeigten Anzeichen von Versagensängsten, schließlich hatten sie laut der Erwachsenen die Lösung zuvor nur aufgrund ihrer vorhandenen Intelligenz geschafft. Würden sie an der nächsten Aufgabe scheitern, würde das in ihren Augen zeigen, dass sie nicht intelligent genug oder gar „dumm“ seien.
Die Schüler, die für ihren Arbeitseinsatz gelobt wurden, entwickelten Biss und Spaß daran, auch bei neuen und schwereren Aufgaben nach Lösungen zu suchen. Sie hatten gelernt, dass sich Mühe lohnt und ein Fehlversuch kein persönliches Scheitern ist, sondern sie auf dem Weg zur Lösung weiterbringt.
Das, was bei Kindern in Form des richtigen Lobs (nicht die Intelligenz, sondern die Mühe) von außen kommen muss, können wir als Erwachsene für uns selbst finden.
So lohnt es sich bei einem nicht gelösten Problem oder einem gescheiterten Vorhaben, bei dem es vielleicht sogar noch Kritik vom Vorgesetzten gab, zu fragen: Was kann ich aus diesem Projekt oder dieser Aufgabe mitnehmen, um es beim nächsten Mal besser zu machen? Der Spruch ist strapaziert, aber hat nichts von seiner Wahrheit verloren: Wir müssen Scheitern als Chance sehen. Als Chance, uns weiterzuentwickeln, als Möglichkeit, neue Wege zu gehen, und auch als Teil des richtigen Weges zu der von uns gesuchten Lösung. Ob wir eine Aufgabe meistern oder nicht, liegt nicht an dem uns zum Zeitpunkt der Aufgabenstellung verfügbaren Wissen, sondern vielmehr daran, was wir bereit sind, an Energie und Engagement in eine Lösung zu stecken.
Das wusste übrigens auch Thomas Alva Edison. Der hat nämlich über 1.000 fehlerhafte Glühbirnen gebaut, bis ihm die Erleuchtung kam.