Herzgesundheit: Wie wir unser wichtigstes Organ bei Laune halten
Unser Herz ist ein Wunderwerk der Natur: Es arbeitet ohne Pause und sorgt dafür, dass alle Organe zu jeder Zeit optimal versorgt sind. Grund genug, unserem Herzen etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Ist Kaffee schlecht fürs Herz? Kann unser Herz bei Liebeskummer wirklich „brechen“? Ist Herzstolpern gefährlich? Und wie unterscheidet sich eigentlich ein Frauen- von einem Männerherzen? Wir haben mit Felix Schröder, Facharzt für innere Medizin und Kardiologie in Hamburg, über den wohl wichtigsten Muskel in unserem Körper gesprochen und Spannendes erfahren!
Mobil Krankenkasse: In Ihrem Buch „Was das Herz begehrt“ schreiben Sie unter anderem über die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerherzen. Können Sie uns das nochmal kurz erläutern?
Felix Schröder: Frauen haben durch die weiblichen Geschlechtshormone eine Art Teflon-Beschichtung ihrer Arterien. Insbesondere vor den Wechseljahren gewährleisten hohe Östrogenspiegel einen Schutz vor Arterienverkalkung. Dieser Schutz fehlt den Männern, deren Arterien durchschnittlich früher im Leben verstopfen – was natürlich auch dadurch bedingt ist, dass Männer im Schnitt einfach ungesünder leben als Frauen, also häufiger übergewichtig sind und öfter rauchen als Frauen.
Auch stellt man fest, dass die Beschwerden bei gleichen oder zumindest ähnlichen Erkrankungen des Herzens zwischen den Geschlechtern sehr unterschiedlich sein können. Ein Herzinfarkt beim Mann zeigt meist die klassischen Brustbeschwerden, während Frauen oft untypische Beschwerden wie Schmerzen im Oberbauch oder Übelkeit und Erbrechen bekommen – eben ohne die klassischen Brustschmerzen, wie sie im Lehrbuch beschrieben werden und die einen unmittelbar an eine Herzerkrankung denken lassen. Das wiederum erschwert die richtige Diagnose, was einen verzögerten Beginn der Behandlung bedeuten kann. Leider ist es somit Tatsache, dass Frauen – wenn sie denn einen Infarkt bekommen – auch häufiger daran versterben als Männer.
Mobil Krankenkasse: Ich trinke morgens gerne einen Kaffee zu viel, sitze den ganzen Tag im Büro und abends am liebsten mit einem Glas Wein auf dem Sofa – wie kann ich meinem Herzen trotzdem etwas Gutes tun?
Felix Schröder: Also, zunächst ist ganz wichtig: Der Kaffee wurde rehabilitiert. Es gibt mehrere Studien, die bei einem Konsum von drei bis fünf Tassen pro Tag eine schützende Wirkung für das Herz belegen (hier geht es allerdings nur um den Kaffee, Milch und Zucker trüben hier gegebenenfalls wieder die Bilanz). Auch bezüglich Diabetes – inzwischen ja auch eine Volkserkrankung – zeigen sich ganz gute Daten bei einem erhöhten Kaffeekonsum. Wer sich weiter dafür interessiert, kann gerne mal bei den Kollegen des Deutschen Grünen Kreuzes unter www.kaffee-wirkungen.de vorbeischauen. Hier werden stets die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Lieblingsgetränk der Deutschen (166 Liter pro Kopf pro Jahr, Quelle: Deutscher Kaffeeverband) in gut verständlicher Form veröffentlicht.
Sonst muss man leider zu Ihrem Alltag sagen, dass er nicht unbedingt zur Herzgesundheit beiträgt. Ein populärer Spruch sagt: „Sitzen ist das neue Rauchen.“ Dem kann man statistisch gesehen zustimmen, zumal auch viele andere gesundheitliche Probleme wie Gelenkprobleme durch fehlende Bewegung begründet werden können. Auch ein Gelenk will eben gefordert und benutzt werden. Hierdurch entsteht ein Reiz zur weiteren Bildung und Erneuerung des Gelenkknorpels, der ein elementarer Bestandteil eines gesunden Gelenks ist.
Grundsätzlich wird zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen Ausdauersport fünf Mal pro Woche jeweils für eine Dauer von einer halben Stunde bis Dreiviertelstunde empfohlen. Das klingt sicherlich für viele erst mal nach ganz schön viel Zeitaufwand. Letztlich wird hier aber kein wirklich intensives Training verlangt, sondern Sport auf einem Belastungsniveau, bei dem man sich noch gut unterhalten kann, ohne durch das Sprechen Probleme mit der Atmung zu bekommen.
Ein großer Fehler in unserer Gesellschaft ist meines Erachtens auch, Sport immer als etwas Gesondertes anzusehen, wozu man sich „aufraffen“ muss, wofür man sich umziehen und danach unbedingt duschen muss. Beispielsweise der Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad ist eine gute Möglichkeit, um wie gefordert fünf Mal pro Woche leichten Ausdauersport zu treiben.
Ebenso ist es eine falsche Reaktion zu sagen, „Das ist mir zu viel, das schaffe ich sowieso nicht“, und dann direkt gar nichts mehr zu tun. Schon kleine Schritte führen – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Erfolg: Bereits ein täglicher Spaziergang von nur 20 Minuten trägt nachweislich zur Herzgesundheit bei. Steigen Sie einfach drei U-Bahn-Stationen früher aus auf dem Heimweg, nehmen Sie die Treppe statt des Fahrstuhls und schon haben Sie etwas für Ihr Herz getan, bevor es zu dem einen (!) Glas Wein aufs Sofa geht.
Grundsätzlich ist es mir wichtig anzumerken, dass auch durch noch so vorbildliches Verhalten und das Vermeiden jeglicher Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nie eine Kontrolle entstehen kann. Wir Kardiologen erleben immer wieder Fälle von jungen Menschen mit Herzinfarkt, bei denen man verzweifelt nach einer Ursache in deren Lebenswandel sucht. Ebenso gibt es umgekehrt Patienten, die aus medizinischer Sicht nach dem Modell der Risikofaktoren bereits schwer krank sein müssten, es aber einfach nicht sind (Stichwort „Helmut Schmidt“). Also, man sollte sich nie der Illusion hingeben, dass man sein Leben derart unter Kontrolle hat. Wichtig ist Dankbarkeit für jeden Tag ohne Krankheit, ich glaube nämlich, die trägt mehr zur Gesundheit bei als ständige Gedanken über Selbst- und Gesundheitsoptimierung.
Mobil Krankenkasse: Wohl jeder von uns hatte schon mal ein gebrochenes Herz. Aber kann dieser psychische Schmerz auch wirklich unser Herz belasten?
Felix Schröder: Gerade heute bin ich in einem bekannten Wochenmagazin über den Titel eines Artikels gestolpert, in dem eine Spitzenpolitikerin mit Äußerungen zur Flutkatastrophe in diesem Sommer zitiert wird. Sie sagt: „Da zieht sich einem das Herz zusammen.“
Auch mir geht es oft in Stress- oder Belastungssituationen so, dass ich einen Druck oder Schmerz in der Brust spüre. Nicht in hoher Intensität, nicht von langer Dauer, nicht so, dass man Angst bekommen müsste, aber einem „liegt eben ein Stein auf dem Herzen“. Es gibt so viele Redewendungen, die das Herz in unsere Gefühlswelt mit einbinden, dass es für mich außer Zweifel steht, dass es da eine Verbindung gibt.
Ein Beleg hierfür ist auch das Broken-Heart-Syndrom. Es handelt sich um eine Form der Herzmuskelerkrankungen, die durch einen hohen Level an Stresshormonen, insbesondere Adrenalin, ausgelöst wird. Die Beschwerden der Betroffenen sind zunächst häufig nicht oder nur schwer von einem Herzinfarkt zu unterscheiden. Wir sprechen also von Schmerzen oder Druck im Brustkorb mit Ausstrahlung zum linken Arm oder auch Richtung Kiefer. Im Gespräch ergeben sich oft Erklärungen für die Erkrankung: Neben negativen Schicksalsschlägen können allerdings auch erfreuliche Ereignisse wie ein Lottogewinn zu einem hohen Adrenalinspiegel und somit zu dieser Erkrankung führen, es muss nicht immer ein negatives Erlebnis oder Stress sein.
Um auch die erste Frage wieder mit aufzugreifen: Das Broken-Heart-Syndrom tritt zu 90 % bei Frauen auf. Warum das so ist, weiß man letztlich nicht genau. Eine Beobachtung hierzu ist, dass oft der Tod des Ehepartners der auslösende Stressfaktor ist. Diesen erleben häufiger die Frauen, da sie eine höhere Lebenserwartung haben.
Mobil Krankenkasse: Ein kleines Zwicken, ein kurzes Herzstolpern, Schmerzen im Arm: Wann sollte man auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen?
Felix Schröder: Das ist keine einfache Frage, grundsätzlich gilt hier jedoch immer: besser einmal zu viel als einmal zu wenig. Auch wenn man dann vielleicht seitens des medizinischen Personals einen blöden Spruch kassieren muss: Es gibt viele sehr zeitkritische Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt, wo quasi jede Minute, die ohne Behandlung verstreicht, die Prognose zum Schlechteren hin verändert. Diese gravierenden Erkrankungen auszuschließen oder eben ggf. umgehend einer Behandlung zuzuführen ist Aufgabe einer jeden Notaufnahme.
Wenn Beschwerden wie Schmerzen im Brustkorb, Luftnot, Übelkeit und Erbrechen, Herzrasen und -stolpern länger anhalten, sollte man auf Nummer sicher gehen und zumindest mittels EKG und Laborwerten der Sache auf den Grund gehen. Beim Schlaganfall gilt diese Aussage für sogenannte neurologische Ausfälle, also Ausfälle von Nervenfunktionen. Bestehen also beispielsweise Lähmungen, Sprach-, Seh- oder Gefühlsstörungen, sollte man ebenfalls zum Arzt oder eben sogar direkt ins Krankenhaus gehen.
Es gibt viele Beispiele, bei denen dann erfreulicherweise keine gravierende Erkrankung festgestellt wird. Raucher spüren oft mal Stiche im Brustkorb, ohne dass man direkt eine schwere Schädigung der Organe nachweisen kann. Aber es kann natürlich auch einen Herzinfarkt bedeuten, insbesondere wenn, wie gesagt, der Schmerz und die Stiche länger anhalten und nicht nach kurzer Zeit wieder verschwinden.
Anders ist das natürlich zu bewerten, wenn jemand auf seinem Arm gelegen hat und dieser dann „eingeschlafen“ ist – also eine durch den Druck ausgelöste, lediglich vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung des Nervs im Arm. Das wird kein Schlaganfall sein, denn nach kurzer Zeit wird der Arm wieder „wach“.
Also, die Grundnachricht lautet: gesunden Menschenverstand anwenden und im Zweifelsfall lieber einmal zu oft zum Arzt gehen.
Ach so, hier noch ein kleiner Beitrag zum Thema Herzstolpern: Dass das Herz ab und zu mal stolpert, gefühlt eine kurze Pause macht und dann mit einem kräftigeren Schlag wieder einsetzt, ist ganz normal, das hat jeder Mensch. In der Fachwelt wird es als Extrasystole, vereinfacht Zusatzkontraktion des Herzmuskels, bezeichnet. Formen des Herzrasens, die auf diese beschriebene Empfindung nicht zutreffen, sollten zum Arztbesuch führen. Eine 24-stündige Aufzeichnung der Herzströme – auch Langzeit-EKG genannt – wäre hier der erste Schritt Richtung Abklärung des Herzrasens.
Mobil Krankenkasse: Und zum Schluss: Was sollten wir unbedingt noch Spannendes über den wohl wichtigsten Muskel in unserem Körper wissen?
Felix Schröder: Es gibt sicherlich viele spannende Dinge, die ich hier noch erwähnen könnte. Allerdings scheint mir ein Thema von herausragender Wichtigkeit, es lautet Laienreanimation. Wie wir nun ja auch im Fußball bei der Europameisterschaft miterleben mussten/konnten, kann ein Herz einfach sehr plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, aufhören zu schlagen und es wird kein Blut mehr durch den Körper transportiert. Hierunter leidet als Allererstes das Gehirn, es kann maximal drei bis fünf Minuten unbeschadet ohne frischen Sauerstoff, also ohne Blutzufuhr, auskommen. Danach setzen bleibende Schäden ein, die mit entsprechenden Einschränkungen von Körperfunktionen einhergehen. Diese gilt es unbedingt zu vermeiden.
Also mein dringender Appell an einfach jeden: Wenn Sie miterleben, wie ein Mensch plötzlich leblos zusammensackt, bitte fangen Sie mit der Herzdruckmassage an! Zuvor wird einmal ganz kurz geprüft, ob eine kräftige und normale Atmung besteht. Ist das nicht der Fall oder sind Sie sich nicht sicher, fangen Sie mit der Herzdruckmassage an, überwinden Sie die natürlichen Hemmungen, in diesem Moment kann man damit nur helfen und nichts kaputt machen. Bitte machen Sie sich mit der Technik auch über den Erste-Hilfe-Kurs im Rahmen des Führerscheins hinaus immer wieder vertraut: Ungefähr 100-mal pro Minute drücken, im Zweifelsfall bei hygienischen Bedenken auf die Beatmung verzichten, auf ausreichende Drucktiefe (5–6 cm) achten. Es gibt viele Informationsseiten, die ich Sie bitte nun direkt aufzurufen und Ihr Wissen einmal aufzufrischen oder es sich anzueignen:
- www.laienreanimationkannjeder.de
- www.wiederbelebung.de/aktuelles/
Natürlich sollte man umgehend den Notruf verständigen, die Kollegen der Leitstellen erteilen dann auch telefonisch Ratschläge, was zu tun ist. Wenn man allein ist, beispielsweise erst Anruf tätigen, Telefon mit Freisprecheinrichtung in die Nähe legen und den Anweisungen der Rettungsstelle folgen. In Deutschland haben wir ein sehr gutes Rettungssystem, so dass Sie ab Auslösung des Notrufs nur in absoluten Ausnahmefällen länger als 15 Minuten die ersten medizinischen Maßnahmen durchführen müssen.
Das ist mir mit das wichtigste Anliegen, das ich aus dem Fach der Kardiologie an jeden vermitteln möchte. Hier kann jeder zum Lebensretter werden!
Gewinnspiel „Was das Herz begehrt“
Wir sind so begeistert von dieser frischen Sicht auf unser lebenswichtigstes Organ, dass wir drei Exemplare von „Was das Herz begehrt“ verlosen. Jetzt klicken und Gewinnspielformular ausfüllen. Einsendeschluss ist der 10.11.2021.