
Trotz seiner weit verbreiteten Natur bleibt PCOS oft ein wenig bekanntes und missverstandenes Thema. Die Symptome können von unregelmäßigen Menstruationszyklen und Gewichtszunahme bis hin zu Akne und übermäßigem Haarwachstum reichen, was nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Herausforderungen mit sich bringen kann.
Wir haben Gynäkologin Dr. Leoni Matt zu Ursachen, Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten von PCOS befragt, um ein besseres Verständnis für diese komplexe Erkrankung zu schaffen und betroffenen Frauen wertvolle Informationen an die Hand zu geben.
Die Symptome von PCOS sind oft recht unspezifisch – woran merken betroffene Frauen, dass ihre Beschwerden über das „normale Maß“ hinausgehen und sie möglicherweise tatsächlich an PCOS leiden?
Dr. Matt: PCOS-Symptome sind einzeln gesehen wirklich oft unspezifisch. Ich würde immer hellhörig werden, wenn Kombinationen vorliegen, die über längere Zeit anhalten. Außerdem finde ich es wichtig, zu schauen, in welcher Lebensphase sich jemand befindet. Unregelmäßige Zyklen und Störungen des Eisprungs sind zum Beispiel ein normaler Prozess der pubertären und menopausalen Übergänge. Erwachsene Frauen, die aber schon einige Jahre ihre Periode haben und die noch nicht Richtung Wechseljahre gehen, sollten aufmerksam werden, wenn die Themen Zyklusunregelmäßigkeit, verstärkte Körperbehaarung, Probleme beim gesunden Gewicht oder Schwierigkeiten beim Schwangerwerden zusammen auftreten und über längere Zeit anhalten. Es gibt jedoch verschiedene Typen von PCOS, das heißt, nicht alle haben dieselben Symptome und es gibt große Unterschiede in der Ausprägung.
Wie genau wird PCOS diagnostiziert?
Dr. Matt: Ein PCOS kann diagnostiziert werden, wenn mindestens zwei von drei der folgenden Kriterien vorliegen: erstens unregelmäßige oder ausbleibende Eisprünge, erkennbar an langen oder unregelmäßigen Menstruationszyklen. Zweitens, dass der Körper zu viele Androgene produziert – das sind Hormone, die oft als „männliche“ Hormone bezeichnet werden, obwohl sie auch im weiblichen Körper vorkommen – dies ist entweder nachweisbar durch eine Blutuntersuchung oder sichtbar durch Symptome wie verstärkten Haarwuchs, Haarausfall oder Akne. Drittens sind im Ultraschall viele kleine Eibläschen in den Eierstöcken sichtbar. Dieser letzte Diagnosepunkt mit Ultraschall kann nach neueren Leitlinien auch bei gewissen Patientinnen durch eine Blutuntersuchung ersetzt werden. Hierbei handelt es sich dann um die Messung des AMH, das ebenfalls Hinweise auf die Anzahl der Eibläschen gibt. Eine genaue Erhebung der Geschichte, Bluttests und ein Ultraschall sind also die wichtigsten Bausteine der Diagnostik. Wichtig ist auch, dass andere mögliche Ursachen für PCOS-Symptome ausgeschlossen werden. Das heißt, wir schauen uns die Schilddrüse an und weitere Hormone, wie zum Beispiel Prolaktin.
Lassen sich Ursachen ableiten bzw. kann man selbst etwas tun, um PCOS vorzubeugen?
Dr. Matt: Die Ursachen von PCOS sind schwer ganz eindeutig festzulegen, da die Erkrankung mehrere komplexe und miteinander verknüpfte Entstehungswege aufweist. Die Entwicklung von PCOS wird beeinflusst durch genetische Faktoren, Umweltgifte, Lebensstil – und auch eine gestörte Darmflora könnte eine Rolle spielen. Alle diese Punkte können dazu führen, dass die Eierstöcke vermehrt Androgene produzieren, die Eireifung gestört wird und es zu einer chronischen, niedriggradigen Entzündungsreaktion kommt. Außerdem kommt es zu Störungen im Zuckerstoffwechsel, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen sowie einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Genau hier haben wir aber auch einen Hebel. Durch eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Stressabbau lässt sich zum Beispiel das Risiko für eine Entwicklung, eine starke Ausprägung oder mögliche Spätfolgen von PCOS verringern oder sogar rückgängig machen. Es gibt also Maßnahmen, die wir selber ergreifen können und die auf verschiedenen Ebenen helfen können.
Wie wird PCOS behandelt und wie sind die Chancen auf Heilung bzw. Linderung?
Dr. Matt: Zur medikamentösen Behandlung von PCOS werden oft hormonelle Verhütungsmittel und Anti-Androgene eingesetzt, um den Zyklus zu regulieren und Symptome wie Akne oder verstärkten Haarwuchs zu lindern. Insulin-Sensitizer wie Metformin helfen, die Insulinempfindlichkeit zu verbessern und den Stoffwechsel zu stabilisieren. Bei Kinderwunsch können Medikamente, die den Eisprung fördern, eingesetzt werden. Aktuelle Forschungen untersuchen auch verschiedene neue Therapieansätze.
PCOS ist jedoch eine chronische hormonelle Stoffwechselstörung, die sich nicht vollständig heilen lässt. Je früher es erkannt wird und je gezielter die Therapie erfolgt, desto besser sind die Chancen, langfristig beschwerdefrei zu leben. Aufgrund der komplexen Ursachen von PCOS gibt es selten eine einzelne Behandlungsmethode, die für alle geeignet ist. Stattdessen sollte die Therapie individuell an die Symptome und an die Ziele, wie zum Beispiel eine Schwangerschaft, angepasst werden. Die Behandlung beinhaltet aber eben nicht nur gynäkologische Aspekte, sondern auch Stoffwechsel, Gewicht und psychologische Aspekte sollten eine Rolle spielen. Vor allem die Vorbeugung oder Behandlung von Übergewicht sollte besprochen und durch Informationsangebote und Lebensstil Veränderungen begleitet werden.
Gibt es etwas, das betroffene Frauen selbst tun können, um positiven Einfluss auf ihre Beschwerden zu nehmen?
Dr. Matt: Ergebnisse aus verschiedenen randomisierten, kontrollierten Studien zeigen, dass Ernährungsumstellungen auf eine niedrigglykämische Ernährung, ballaststoffreiche und Omega-3-haltige Lebensmittel, ketogene oder mediterrane Ernährung sowie antioxidative und entzündungshemmende Nahrungsmittel die Glukosetoleranz und den Hormonhaushalt bei Menschen mit PCOS verbessern. Auch Intervallfasten zeigt in Studien spannende Ergebnisse. Und Ausdauer- und Krafttraining wirken sich ebenfalls positiv auf den Stoffwechsel aus. Außerdem kann bereits eine leichte Gewichtsabnahme von 5 % den Zyklus stabilisieren und die Fruchtbarkeit verbessern. Zusätzlich können Verhaltens- und Aufklärungsprogramme das Bewusstsein für PCOS stärken und helfen, psychische Belastungen besser zu bewältigen. Studien zeigen, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Inositol, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren sowie Mineralstoffe wie Zink, Magnesium, Selen und Chrom dabei helfen können, die Insulinresistenz zu verringern, den Eisprung zu fördern und Entzündungen zu reduzieren. Diese Maßnahmen sind natürlich individuell nicht immer leicht umsetzbar, können aber erwiesenermaßen die Situation verbessern.
Haben Sie sonst noch Tipps oder Ratschläge für unsere Leserinnen im Umgang mit PCOS?
Dr. Matt: Der Umgang mit PCOS erfordert oft eine Veränderung des Lebensstils – und das ist nicht einfach. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Stoffwechsel mit PCOS anders funktioniert als bei Menschen ohne diese Erkrankung. Damit ist auch das Thema Gewichtsabnahme bei PCOS viel komplexer – es geht nicht nur um Kalorien, sondern um Hormone, Insulin und Entzündungsprozesse. Deshalb ist es umso wichtiger, auf den eigenen Körper zu hören und herauszufinden, was gut funktioniert. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Und es gibt keinen „perfekten“ PCOS-Plan – sondern individuelle Lösungen, die in ein Leben passen müssen, um nachhaltig zu sein. Ein Symptom-Tagebuch finde ich immer hilfreich, um Zyklus, Energielevel oder Hautveränderungen zu beobachten und besser zu verstehen, welche Faktoren sich positiv oder negativ auswirken. Auch ein Austausch mit anderen Betroffenen kann unglaublich entlastend sein, das berichten zumindest unsere FEMNA-Circle-Teilnehmerinnen.

Unser Angebot
FEMNA Care bietet vollumfängliche Begleitung für Frauen mit wiederkehrenden Zyklusbeschwerden. Dazu gehören Endometriose, Regelschmerzen, PCOS, PMS und PMDS. Unsere Versicherten können über sechs Monate hinweg kostenlos auf das gesamte Therapie- und Aufklärungsangebot von FEMNA Care zugreifen.
Darin enthalten sind:
- einfühlsame persönliche Beratungen mit speziell geschulten Beraterinnen aus anerkannten Gesundheitsberufen
- tiefgehendes Expertenwissen in Videos von Deutschlands angesehensten Ärztinnen und Ärzten
- praktische Alltagshilfen zur direkten Umsetzung in Form von Workbooks, Yoga-Masterclasses, Meditationsübungen und mehr
- offener Erfahrungsaustausch mit anderen betroffenen Frauen im geschützten Raum im kostenlosen Online-Format
- Symptom-Tracker zur Überwachung von Krankheitsverläufen und als Hilfestellung für den Arztbesuch
Wer dieses Angebot kostenfrei nutzen kann und wie die Teilnahme funktioniert, können Sie auf unserer Webseite nachlesen: Menstruationsbeschwerden I Mobil Krankenkasse (mobil-krankenkasse.de)