Dem Kopfschmerz auf der Spur – Migräne-Interview
Sind das normale Kopfschmerzen oder habe ich Migräne? Diese Frage stellen sich viele Schmerzgeplagte – werden die Bezeichnungen umgangssprachlich doch häufig synonym verwendet. Was genau ist eine Migräne eigentlich, wie entsteht sie und wie lässt sie sich behandeln? Allgemeinmediziner Dr. med. Jan Philipp Albersmeier klärt auf.
Herr Dr. Albersmeier, worin liegt der Unterschied zwischen Kopfschmerzen und einer Migräne?
Dr. Albersmeier: Eine Migräne ist eine spezielle Art von Kopfschmerz, die sich durch bestimmte charakteristische Merkmale auszeichnet. Die Kopfschmerzen bei einer Migräne sind oft einseitig und pulsierend und nehmen unter körperlicher Belastung zu. Sie können jedoch auch auf die andere Kopfseite wechseln oder sich auf den gesamten Kopf ausdehnen. Migräneanfälle dauern in der Regel länger als andere Kopfschmerzen: Sie können bis zu 72 Stunden oder länger andauern. Viele Menschen leiden währenddessen unter Übelkeit, Erbrechen und Lichtempfindlichkeit. Ein Teil der Migräneanfälle wird von visuellen oder neurologischen Symptomen begleitet, die als „Aura“ bezeichnet werden. Das können vorübergehende Sehstörungen wie das Sehen von Blitzlichtern, Kribbeln oder Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen oder andere neurologische Veränderungen sein.
Was ist die Ursache für einen Migräneanfall?
Dr. Albersmeier: Die genaue Ursache einer Migräneattacke lässt sich nicht so leicht feststellen. Man geht davon aus, dass eine Kombination aus genetischen, neurologischen und Umweltfaktoren der Auslöser ist.
So gibt es etwa Hinweise auf eine genetische Veranlagung: Wenn Eltern Migräne haben, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ihre Kinder ebenfalls anfällig für die Krankheit sind. Migräne wird zudem oft mit Funktionsstörungen im Gehirn in Verbindung gebracht: Während eines Anfalls kommt es zu Veränderungen in der Gehirndurchblutung und -aktivität. Hormonelle Schwankungen, insbesondere bei Frauen, können die schmerzhaften Attacken ebenfalls auslösen. Deshalb erleben sie viele Frauen in Zusammenhang mit ihrem Menstruationszyklus, einer Schwangerschaft, Verhütungsmitteln oder den Wechseljahren. Darüber hinaus können verschiedene Umweltfaktoren Auslöser sein oder einen Anfall verschlimmern. Dazu gehören grelles Licht, laute Geräusche, starke Gerüche, Wetterveränderungen, Schlafmangel und Stress. Auch bestimmte Nahrungsmittel und Getränke wie Alkohol, Koffein und bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe stehen im Verdacht, zu den Ursachen zu gehören.
Wenn plötzlich das Sehvermögen beeinflusst wird, bekommen Betroffene oft Panik. Sind diese neurologischen Symptome bei einer Migräne mit Aura harmlos? Und was passiert dabei im Gehirn?
Dr. Albersmeier: Neurologische Symptome wie Sehstörungen, die oft bei einer Migräne mit Aura auftreten, können beängstigend sein. In der Regel sind sie aber harmlos.
Während einer Aura kommt es zu vorübergehenden Veränderungen in der Aktivität des Gehirns. Obwohl die genaue Ursache und der Mechanismus dahinter nicht vollständig verstanden sind, wird angenommen, dass es einen Zusammenhang mit einer gestörten Durchblutung und elektrischer Aktivität im Gehirn gibt. Die Aura tritt oft vor dem eigentlichen Kopfschmerz, der Migräne, auf und kann 20 Minuten bis zu einer Stunde oder länger dauern.
Im Normalfall lassen die neurologischen Symptome von selbst und ohne bleibende Schäden nach. Dennoch sollten Menschen, die plötzliche Sehstörungen oder andere neurologische Symptome erleben und noch nie zuvor eine Migräne mit Aura hatten, unverzüglich medizinische Hilfe aufsuchen, um andere neurologische Probleme auszuschließen.
Wie wird eine Migräne behandelt und kann ich selbst etwas tun, um die Symptome zu lindern?
Dr. Albersmeier: In milden Fällen können rezeptfreie Schmerzmittel wie Aspirin, Ibuprofen, Paracetamol oder Kombinationspräparate zur Linderung der Schmerzen eingenommen werden. Zudem ist Ruhe in einem abgedunkelten Raum oft hilfreich. Wenn eine Migräne bereits diagnostiziert wurde, können auch sogenannte Triptane zum Einsatz kommen. Diese haben sich in der Akutbehandlung bewährt, dürfen jedoch nur kurzfristig über zwei bis drei Tage eingenommen werden und sind verschreibungspflichtig.
Neu zur Verfügung stehen seit 2018 Antikörpertherapien: Diese helfen bei schwerer oder chronischer Migräne sehr gut. Wer unter häufigen Migräneattacken leidet und bislang noch nicht auf die Antikörpertherapie gestoßen ist, dem empfehle ich, diese selbst einmal beim behandelnden Neurologen anzusprechen.
Wichtig ist mir auch, dass Patienten ihre regelmäßige Medikamenteneinnahme dokumentieren. Es gibt den sogenannten medikamenteninduzierten Kopfschmerz. Das klingt zunächst paradox; aber Menschen, die häufiger als zehnmal im Monat Schmerzmittel einnehmen, haben ein erhöhtes Risiko, hierdurch weitere Kopfschmerzen zu bekommen. Wer ein- bis zweimal im Monat eine Schmerztablette nimmt, muss sich jedoch keine Gedanken machen.
Tritt Migräne auch bei Kindern auf und wird diese genauso behandelt wie bei Erwachsenen?
Dr. Albersmeier: Migräne tritt ebenfalls bei Kindern auf, häufig im Teenageralter zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Aber auch jüngere Kinder können betroffen sein. Die Ursachen sind auch hier vielfältig. Die familiäre Disposition spielt eine Rolle, genauso wie hormonelle Veränderungen in der Pubertät. Die Behandlung gleicht der für Erwachsene, jedoch sind Triptane nur eingeschränkt bei Kindern zugelassen. Auch die Antikörpertherapie ist erst ab dem 18. Lebensjahr zugelassen. Die Behandlung der Migräne sollte in jedem Fall mit dem behandelnden Kinderarzt gemeinsam besprochen werden.
Kann einer Migräne präventiv vorgebeugt werden?
Dr. Albersmeier: Wenn man weiß, was bei einem selbst zu den Auslösern gehört, kann man auch präventiv dagegen vorgehen. Hierzu bewährt hat sich in vielen Fällen ein Kopfschmerztagebuch: Über mehrere Monate wird der Migräneverlauf dokumentiert, gern auch in Verbindung mit Faktoren wie der Ernährung, Bewegung und Schlaf. Dadurch können bestimmte individuelle Trigger identifiziert und in Zukunft vermieden werden.
Generell gilt: Ein gesunder Lebensstil ist auch für Migränepatienten und -patientinnen sinnvoll. Dazu gehören regelmäßiger Schlaf, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten und Stressmanagement-Techniken wie Entspannungsübungen. Ebenso ist körperliche Aktivität wie Ausdauersport empfehlenswert. In schwereren Fällen werden Medikamente wie Betablocker, Antikonvulsiva und Antidepressiva präventiv verordnet.
Wichtig ist in jedem Fall, sich bei regelmäßigen Kopfschmerzen professionelle Hilfe zu holen. Es gibt mittlerweile gut etablierte Therapieformen. Erster Ansprechpartner ist die Hausarztpraxis; bei komplexeren Fällen erfolgt dann meistens die Mitbeurteilung durch neurologisches Fachpersonal.
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