Generationskonflikte – so gelingt Familien ein harmonisches Miteinander
Großeltern spielen eine wichtige Rolle im Leben unserer Kinder und sind wichtige Stützen im Alltag. Obwohl der Wunsch nach einem harmonischen Miteinander auf allen Seiten groß ist, kommt es gerade beim Thema Erziehung oft zu Konflikten. Was steckt hinter diesen Konflikten und wie kann man ihnen als Familie gut begegnen? Wir haben mit Expertin Anna Hofer gesprochen.
Anna Hofer begleitet als Stillberaterin und psychologische Beraterin seit Jahren zahlreiche Familien durch den Alltag. Als Autorin schreibt sie u. a. zu dem Thema Erziehungskonflikte. Im Interview verrät sie uns, wie ein friedliches Miteinander der Generationen gelingen kann.
Frau Hofer, warum sind Großeltern so wichtig?
Anna Hofer: Eine umfangreiche Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung1 zeigte, dass Großeltern eine entscheidende Rolle bei der Kinderbetreuung spielen, trotz des Angebots an Kitas, Hortangeboten und Ganztagsangeboten der Schulen. Die Betreuung durch die Großeltern erleichtert Eltern nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern hält auch die ältere Generation fit und vital. Eine britische Studie aus dem Jahr 20202 unter rund 1500 Kindern zwischen elf und 16 Jahren zeigte außerdem, dass diese ihren Großeltern näherstanden, je häufiger sie Kontakt hatten. Eltern spielen hier eine entscheidende Rolle: Je besser deren Verhältnis zu den Großeltern ist, desto stärker bringen sich Großeltern im Leben ihrer Enkelkinder ein. Wir Eltern sind die, die die Beziehung zu den Großeltern überhaupt erst ermöglichen. Die Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkindern wächst und entwickelt sich wie jede andere zwischenmenschliche Beziehung auch: Durch Nähe und Vertrautheit zueinander und der Möglichkeit, sich auszutauschen. Oft auch durch gemeinsame Hobbys und Interessen, wenn die Enkelkinder größer sind.
Eltern spielen bei der Beziehung von Enkelkindern und Großeltern also eine entscheidende Rolle. Was sollten Eltern bei der Kommunikation mit den Großeltern beachten?
Anna Hofer: Eltern sollten verinnerlichen, dass Großeltern früher selbst Eltern waren. Großeltern sehen sich als der Familienteil, der Erfahrung in der Kindererziehung hat und dies gerne teilen möchte. Aber oft hören sich eigentlich gutgemeinte Ratschläge oder Tipps in den Ohren der Eltern manchmal gar nicht so gut an. Ihnen kann es helfen, hier eine gesunde, innere Haltung zu entwickeln, ohne das Gegenüber ändern zu wollen: Ich bin jetzt erwachsen, ich bin jetzt für mein Kind/meine Kinder verantwortlich. Ich verstehe, dass meine Eltern mir helfen wollen. Ich verstehe, dass z. B. auch meine Eltern und Schwiegereltern in ihre Rolle als Großeltern hineinwachsen müssen. Verbindend kann auch folgender Gedanke sein: Der Wunsch, dass es dem Enkelkind gut geht, führt nicht selten dazu, dass unsere Art, wie wir mit unseren Kindern umgehen, bei den Eltern auf Unverständnis stößt.
Eltern können also nachfragen, worüber sich die Großeltern genau sorgen und diese Sorge zerstreuen. Und sich selbst fragen, wieviel sie eigentlich von der Zeit wissen, als ihre Eltern jung waren. Wie haben sie diese Zeit erlebt und in Erinnerung? Solche Gespräche können ein nachhaltiger Türöffner sein, der Austausch auf Augenhöhe statt Konflikte ermöglicht.
Was sind die großen Unterschiede im Erziehungsstil zwischen unserer Elterngeneration und heutigen Erziehungsformen?
Anna Hofer: Frühere Generationen hatten eine andere Haltung gegenüber ihren Kindern und Erziehung. Die Ratgeber dieser Zeit zielten auf den Gehorsam des Kindes ab. Schlafen und Sauberkeit waren neben gutem Benehmen und dem bedingungslosen Anerkennen von Autoritätspersonen erklärte Erziehungsziele. Auch heute ernten Eltern Lob dafür, dass ihr Kind durchschläft und einen pflegeleichten Eindruck macht. Ein Kinderwagen war das Nonplusultra und gehörte, wie das Babybettchen und die Flasche, selbstverständlich zur Babyausstattung dazu. Die körperliche Züchtigung war leider auch Teil der Erziehung; der berühmte Klaps auf den Po, der „niemandem geschadet hat“.
In vielen Bereichen der Wissenschaft rund um die Themen Entwicklungspsychologie und Erziehungswissenschaften hat es in den letzten Jahrzehnten wichtige Weiterentwicklungen gegeben, die auch Einzug in Ratgeber finden und damit Impulse in der Elternschaft setzen. Die neuen Großeltern haben davon meistens nicht viel mitbekommen und es kann ihnen schwerfallen, diese Änderungen nachzuvollziehen.
Warum lösen diese Unterschiede manchmal Konflikte aus? Um welche Themen geht es da häufig?
Anna Hofer: Die meisten Konflikte stehen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Erwartungen, Wünschen und Forderungen. Eine Studie der University of Michigan3 zeigte auf, dass die Hauptkonfliktpunkte zwischen den Generationen Uneinigkeit im Hinblick auf Disziplin, das Thema Ernährung und die Mediennutzung waren. Unsere Haltung gegenüber unseren Kindern soll keine Aufforderung an die Großeltern sein, es uns gleich zu tun, wohl aber offen zu sein und anzuerkennen, wie wir mit unseren Kindern umgehen möchten. Ich nenne es gerne „authentisches Kopieren“. Was den Großeltern möglich ist, können sie umsetzen, aber sie müssen nicht zum erzieherischen Schatten der Eltern werden. Ausgenommen sind Zwänge, die direkt auf das Enkelkind ausgeübt werden. Also körperlicher Kontakt, der eingefordert wird („Umarm den Opa mal fest!“ oder „Gib der Oma ein Küsschen!“ etc.) oder körperliche Züchtigung sowie den Anspruch den Teller leer zu essen oder leise zu sein, wenn die Erwachsenen reden.
Warum fühlt sich der Konflikt mit unseren Eltern so herausfordernd an?
Anna Hofer: Konflikte mit Eltern werden als enorm schmerzhaft empfunden. Auch wenn Eltern erwachsen sind, bleiben sie die Kinder ihrer Eltern. Dass sie sich deren Anerkennung und Zuspruch wünschen, ist nicht ungewöhnlich. Umso mehr schmerzt es dann, wenn dieser emotionale Transfer nicht erfolgt, sie vielleicht sogar Ablehnung oder Spott erfahren. Gleichzeitig möchten Eltern in ihrer neuen Rolle selbstbestimmt wachsen sowie eigenständig lernen und erfahren, was es bedeutet, für ein Kind verantwortlich zu sein. Und auch die alten Eltern brauchen Zeit, sich an die neue Rolle der Großeltern zu gewöhnen. Die Frage, was eine gute Mutter ausmacht und wie sie zu sein hat, beschäftigt Frauen seit Generationen. Deshalb sind vor allem Spannungen zwischen Großmüttern und Müttern nicht selten.
Was können wir bei Unstimmigkeiten in puncto Erziehung innerhalb der Familie tun?
Anna Hofer: Grundsätzlich wünschen wir uns alle einen wertschätzenden Umgang miteinander. Unterschiedliche Ansichten in Aspekten der Erziehung sollten, wenn nötig, rechtzeitig offen und wertfrei kommuniziert werden. Weder Eltern noch Großeltern sollten davon ausgehen zu wissen, was der andere tatsächlich möchte. Konkrete (Nach-)Fragen können helfen, Missverständnisse zu vermeiden und einen Konsens zu finden, mit dem sich alle wohlfühlen. Wichtig: Auch der kleinste gemeinsame Nenner ist ein Erfolg! Auf diese Kommunikation kann man aufbauen, sie mit den Jahren anpassen, verfeinern und irgendwann ist sie selbstverständlicher Teil im Familienalltag, damit sich jeder gehört fühlt und mit seinen Vorstellungen angenommen fühlt.
Was heißt das konkret?
Anna Hofer: Ganz besonders, wenn zum Beispiel wichtige Ereignisse stattfinden (Geburt, Taufe, Weihnachten und andere, kulturell wichtige Feiertage) hat jeder sein eigenes Bild im Kopf, wie diese Zeit zu verbringen ist und wer welche Rolle dabei innehat. Wo wird gefeiert und wie? Gibt es Geschenke und wenn ja, wer schenkt was? Eltern haben dabei die Aufgabe, auch ihre Erwartungen klar zu äußern und im Zweifel abzugrenzen. Je nachdem, wie alt die Kinder sind, liegen Wunsch und Realität nicht selten weit auseinander. Deshalb ist zum Beispiel der Wunsch der Großeltern, an einer großen Tafel gemeinsam zu essen nicht grundfalsch, aber mit einem Säugling oder energiegeladenen Kleinkind eventuell nicht umsetzbar. Gleiches gilt z. B. auch schon bei der Geburt. Wenn Eltern sich im Wochenbett zurückziehen, um als Familie anzukommen, fühlen sich Großeltern manchmal zurückgesetzt. Möchten sie ihr Enkelkind doch sehen, Geschenke mitbringen und Erinnerungsfotos machen. Hier braucht es Taktgefühl auf beiden Seiten – und klare Absprachen, am besten schon vor der Geburt.
Oft herrschen zu Hause andere Regeln als bei den Großeltern. Wie geht man damit um?
Anna Hofer: Ein Thema, das nicht selten konfliktbehaftet ist: Süßigkeiten. Manche Großeltern sind gerne großzügig und kennen kein Limit. Wenn Eltern sich aber wünschen, dass Süßigkeiten in Maßen gegeben werden sollen, ist es für die Großeltern wichtig, das Warum zu kennen. Ein Kompromiss kann dann sein, dass das Enkelkind Schokolade bei den Großeltern essen darf, aber nur einen Riegel und danach sollen auf jeden Fall die Zähne geputzt werden. Auch Großeltern können und wollen Verantwortung für ihre Enkelkinder übernehmen – wenn wir das als Eltern auch zulassen können. Verständnis ist keine Einbahnstraße. Wenn die Großeltern nicht wollen, dass die Kinder durchs Wohnzimmer toben, kann man das Treffen bei den Eltern stattfinden lassen. Je nach Alter der Enkelkinder, sind diese aber auch in der Lage, die Regeln der Großeltern zu akzeptieren. Auch hier hilft es, klar zu kommunizieren und den Kindern zu erklären, was Oma und Opa wichtig ist und warum.
Mehr Informationen
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