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Familie 04/2021
Eine junge Mutter hält traurig ihr Neugeborenes im Arm

Wenn das Baby da ist, aber das Glück fehlt – so erkennen Sie eine postpartale Depression

Viele Neu-Eltern sind von der tatsächlichen Realität des Lebens mit einem Neugeborenen überrascht. Wie sich die womöglich übergroß erscheinende Verantwortung, der Schlafmangel und der neue Tagesrhythmus in der Realität anfühlen, lernen Eltern erst, wenn sich die bei der Geburt ausgeschütteten Glückshormone in den Tagen und Wochen nach der Geburt langsam verabschieden und der neue Alltag Einzug hält.

Der „Babyblues“, ein tränenreiches Stimmungstief zwischen dem zweiten und zehnten Tag nach der Geburt, ist nichts Ungewöhnliches und fast jede Gebärende kennt ihn. Anders verhält es sich mit den postpartalen Depressionen (PPD). Kommt das Glück gar nicht zurück oder werden negative Gefühle noch dunkler, heißt es: Hier wird Unterstützung gebraucht! Ob vom Partner oder der Partnerin, von Freunden, der Familie von professioneller Seite: Hilfsangebote sollten angenommen werden.

Wir haben mit Hebamme Johanna Radloff gesprochen, welche Stimmungen nach einer Geburt „normal“ sind, wann man medizinische Unterstützung benötigt und warum auch Männer eine PPD bekommen können.

Mobil-e: Das Baby ist da, aber dieses überbordende Gefühl von Liebe bleibt aus? Muss das gleich eine postpartale Depression sein oder gibt es Mütter, bei denen sich dieses Gefühl der Liebe erst nach und nach aufbaut?

Hebamme Johanna Radloff: Keine Sorge, dieses Gefühl der Liebe, von welchem alle ausgehen, tritt bei sehr vielen Frauen erst nach Stunden oder Tagen auf. Es ist nicht sofort mit einer postpartalen Depression gleichzusetzen. Aber es ist oft von Ängsten und Schuldgefühlen begleitet; sprechen Sie deswegen mit dem Partner oder der Partnerin oder einer Hebamme darüber. Das Gespräch bietet häufig schon eine enorme Entlastung.

Mobil-e: Woran erkenne ich den Unterschied zwischen einem normalen Stimmungstief nach der Geburt bedingt durch die Hormonumstellungen im Körper und einer echten Depression?

Hebamme Johanna Radloff: Den Unterschied zu erkennen ist in manchen Fällen zunächst nicht ganz einfach. Wenn das Gefühl der Antriebslosigkeit, der Ängste, der Überforderung länger als einige Tage anhält, versuchen Sie sich Ihrem Partner, Ihrer Partnerin oder Ihrer Hebamme anzuvertrauen, so dass gemeinsam der Ursache auf den Grund gegangen werden und ggf. professionelle Hilfe involviert werden kann. Bitte sprechen Sie sofort mit jemandem, sollten Ihnen Gedanken kommen, in welchen Sie Ihr eigenes Leben oder das Leben Ihres Kindes nehmen möchten. Scheuen Sie sich nicht davor, diese Gedanken sind beängstigend, aber so können Sie zeitnah für Ihre Gesunderhaltung und die Ihres Kindes sorgen!

Mobil-e: Was passiert bei einer PPD im Körper und warum kann es hier sinnvoll sein, Medikamente zu nehmen?

Hebamme Johanna Radloff: Über die Ursache der PPD sind sich nicht alle Forscher komplett einig. Die These, welche am gängigsten und am wahrscheinlichsten gesehen wird, ist die Vermutung der hormonellen Umstellung nach der Geburt. Unser Körper funktioniert mit allen Vorgängen wie ein filigranes Uhrwerk. Sobald es in Dysbalance kommt, funktionieren manche Vorgänge nicht mehr optimal. Nach der Geburt kommt es im Körper zu enormen hormonellen Veränderungen. Sinken die Hormone Östrogen und Progesteron zu schnell zu tief, dann kann sich dies auf das Gehirn und dessen Stimmung etc. drastisch auswirken. Sie haben da keinerlei Schuld oder können es nicht groß beeinflussen, da dies ein biochemischer Prozess ist, der sehr schnell abläuft. Eine adäquate Therapie (auch medikamentös) kann eine hilfreiche Sache sein, um Ihren Körper dahingehend zu unterstützen, gesund zu werden.

Mobil-e: Wie kann das Umfeld die Frauen unterstützen?

Hebamme Johanna Radloff: Familie und Freunde können in der Zeit schon mit Kleinigkeiten unterstützen. Geben Sie Ihnen die Möglichkeit, im Haushalt oder bei alltäglichen Dingen zu helfen. Lassen Sie sich regelmäßig besuchen oder gehen Sie gemeinsam raus, so dass Sie sich nicht alleine mit Ihren Gedanken auseinandersetzen müssen und Abwechslung haben.

Mobil-e: Gibt es Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, an einer PPD zu erkranken und gibt es etwas, was man vorbeugend dagegen tun kann?

Hebamme Johanna Radloff: Das ist schwierig zu beantworten; generell kann es tatsächlich jede Mutter betreffen, egal aus welchem sozialen Stand und Umfeld. Aber man vermutet, dass Frauen, die in der Vergangenheit schon mit Depressionen zu kämpfen hatten, es in der Familie gehäuft vorkommt, oder wenn die Schwangerschaft / Wochenbettzeit in einer schwierigen Lebensphase auftritt, dass die Chancen etwas höher liegen zu erkranken. Im Umkehrschluss gibt es einige Berichte darüber, dass man prophylaktisch dafür sorgen kann, sich gut um sich und seine psychische Gesundheit zu kümmern. Damit ist gemeint, dass Sie versuchen, sich ab und zu ein paar freie Minuten für sich zu nehmen, in welchen Sie nur das machen, was Ihnen auch guttut. Lassen Sie Ihre Seele als Mama immer mal wieder baumeln!

Mobil-e: In den letzten Jahren sind auch die Väter mehr in den Fokus gerückt. Dabei wurde bekannt, dass auch diese von einer postpartalen Depression betroffen sein können. Wie äußert sich das und wo finden die Männer Hilfe?

Hebamme Johanna Radloff: Ja, auch die Väter sind davon betroffen und fühlen. Oft sind es tiefe Gefühle der Angst das Baby und die Mama nicht gut versorgen zu können oder dem Kind weh zu tun. Auch Schuldgefühle kommen hinzu, sich nicht genug zu kümmern. Wenn dies der Fall sein sollte, kann auch hier die Hebamme und/oder Selbsthilfegruppen für Väter die erste Anlaufstelle sein, um zu schauen, ob es weiterer Hilfe bedarf.

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