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Ausgabe 04/2021
Familie 04/2021
Kind lernt zusammen mit seinem Vater

Wie lernt mein Kind am besten?

Ideen und Tipps von Caroline von St. Ange, Lerncoach für Eltern, Lehrkräfte und Kinder.

Seit Corona ist das Lernverhalten der eigenen Kinder für Eltern noch einmal präsenter – durch das Distanzlernen, aber vielleicht auch durch die vielerorts eingeschränkte Hausaufgabenbetreuung. Neben den schönen Momenten, in denen Eltern und Kinder sich daran erfreuen, gemeinsam einen Weg zu gehen, gibt es in einigen Familien aber auch Streit, Stress und Druck beim Lernen. Die Pandemie wirkt da wie ein Brennglas als Verstärker für bereits vorhandene (Miteinander-)Lernprobleme. Wir haben mit Caroline von St. Ange, Lerncoach für Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen und Kinder gesprochen.

Foto Caroline von St. Ange
Caroline von St. Ange kennt die unterschiedlichen Blickwinkel von Kindern, Lehrkräften und Eltern. Sie möchte Eltern Mut machen, ihren Nachwuchs gut durch die Schulzeit zu begleiten, Pädagoginnen und Pädagogen unterstützen, neue Wege zu gehen, und Kindern zeigen, dass Lernen ein Fest sein kann.
© Detlef Eden

Mobil-e: Frau von St. Ange, gerade in diesen Zeiten ist es unvermeidbar, dass Kinder gemeinsam mit ihren Eltern, z. B. während einer Quarantäne, für die Schule lernen. Doch Eltern sind keine Lehrkräfte und ihnen fehlt das gelernte Handwerk zur Wissensvermittlung. Haben Sie einen Tipp für Eltern, wie das Lernen in der Familie gut gelingen kann?

Caroline von St. Ange: Ja! Das Wichtigste: Druck durch Spaß ersetzen, denn Druck erzeugt nur mehr Widerstand. Viele Eltern verzweifeln oft am Aufgabenberg und nehmen diesen auch ein bisschen zu ernst. So nach dem Motto: Was die Lehrkraft sagt, ist Gesetz und man muss das jetzt genau so und heute machen. Dabei kann man die Aufgaben oft mit dem gleichen Lerneffekt abwandeln, manches auch abkürzen oder problemlos streichen. Die Aufgaben schnell ans Fenster geschrieben oder aus der To-do-Liste eine spielerische Lernreise gemacht, schon ist das Kind wieder mit Motivation dabei. Eltern dürfen sich hier ruhig mehr trauen und müssen nicht stoisch nur Erfüller sein. Sie sehen ihre Kinder und können einschätzen, ob das fünfte Arbeitsblatt heute wirklich noch sein muss oder ob man die Kopfrechenübung nicht auch durch Kreidekästchen-Hüpfen draußen machen kann. 

Mobil-e: Nicht nur während einer Quarantäne, gerade Erstklässlern fällt es als „Neu-Lernern“ oft schwer, sich länger auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Eltern verzweifeln an dieser Stelle oft, weil sie finden, dass es „nicht so schwer sein kann, so eine leichte Aufgabe zu bearbeiten“. Was möchten Sie Eltern für solche Situationen mitgeben, damit sie das nötige Verständnis für ihre Kinder aufbringen können?

Caroline von St. Ange: Es ist gut, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie schwer das tatsächlich ist mit dem Schreibenlernen. Zu diesem Zweck bitte ich Eltern oft, einen Text auf Hebräisch oder Japanisch abzuschreiben. Da kommen sie dann ganz schön ins Schwitzen! Für Mathe kann man Folgendes versuchen: Anstatt die Zahlen 1 bis 10 auch so zu nennen, heißen sie jetzt „La Le Lu nur der Mann im Mond schaut zu“. So, und jetzt rechnen Sie bitte Mond plus Le und zählen von La Mann Schritte weiter.

Fakt ist: Schule ist immer gleich schwer, die 1. Klasse ist genauso schwer wie die 13., ein Kind ist immer nur so weit, wie es eben gerade ist, und Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Deshalb: Spaß, Geduld, Verständnis und Vertrauen. Das wird!

Mobil-e: Stichwort: Fehlerkultur. Ein Kind (häufig im Grundschulalter) kommt weinend nach Hause, weil es drei Fehler im Diktat gemacht hat. Wie können Eltern ihr Kind hier aufbauen und zu einer gesunden Fehlerkultur erziehen?

Caroline von St. Ange: Fehler sind Helfer. (Das sieht man auch daran, dass sie aus den gleichen Buchstaben bestehen!) Erst mal würde ich zählen, wie viele Wörter richtig sind. „Wow, du hast 27 von 30 Wörtern schon richtig geschrieben!“ Bei Rückmeldungen stets „schon“ und „noch nicht“ verwenden, denn es ist alles nur eine Frage der Zeit. Dann geht es darum zu unterscheiden: Leichtsinnsfehler oder echter Fehler? Leichtsinnsfehler sind nicht schlimm, da braucht es nur ein bisschen Übung, Zeit und mehr Konzentration. Echte Fehler sind toll, weil sie eine Einladung zum Lernen sind. Ich feiere Fehler immer öffentlich und sage: So, und hier kommt mein Lieblingsfehler, an dem können wir jetzt richtig viel lernen!

Mobil-e: Viele Eltern denken an einem bestimmten Punkt der Schulkarriere ihres Kindes „Jetzt ist es groß genug, jetzt muss es sich allein um seine Sachen (Hausaufgaben, Vokabeln oder für Klassenarbeiten lernen) kümmern. Einige halten ein achtjähriges Kind bereits für fähig, diese Verantwortung selbst zu tragen. Andere sehen diesen Zeitpunkt mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule gekommen, und wieder andere Eltern begleiten ihr Kind noch engmaschig durch die Oberstufe – was ist hier der richtige Weg und ab wann kann ein Kind tatsächlich allein für seine schulischen Belange verantwortlich sein?

Caroline von St. Ange: Hach, das wäre schön, wenn ich Ihnen da jetzt eine Antwort geben könnte. Sie ahnen schon: Es ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich! Generell rate ich Eltern, sich eher zurückzuhalten, denn manche Kinder sind schon früh sehr selbstständig unterwegs – klasse, wenn sie sich das beibehalten.

Andere Kinder müssen bis zur 6. Klasse eng begleitet werden. (Mit Einsetzen der Pubertät wird die elterliche Begleitung oft als Belastung empfunden.) Mein Tipp ist immer: Überlegen Sie genau, was Ihr Kind vielleicht doch schon selbst kann. Wenn Eltern z. B. den Schulranzen für ihr Kind packen, empfehle ich, einen Stundenplan mit farbigen Symbolen auf Kinderaugenhöhe aufzuhängen und dann das Kind Heft für Heft selbst einstecken zu lassen. Das kann man mit passenden Fragen unterstützen und so sichergehen, dass alles drin ist. Aber es ist schon gut, wenn man das Kind immer mal wieder in die Selbstständigkeit schubst. ;)

Mobil-e: Von der 2. zur 3. Klasse und mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule kommen auf die Kinder viel neuer Stoff und damit natürlich auch mehr Hausaufgaben und mehr Lernzeit zu. Wie kann man die Schülerinnen und Schüler hier unterstützen, dass sie nicht den Überblick verlieren?

Caroline von St. Ange: Es ist gut, das Kind darüber zu informieren, aber ohne Angst zu machen. „Ab der 5. Klasse läuft das in der Schule ein bisschen anders, ihr habt dann mehr Fächer und auch mehr Hausaufgaben. Dafür ist nicht immer alles für den nächsten Tag auf. Du brauchst keine Sorge zu haben, das ist alles gut zu schaffen. Wichtig ist nur, dass wir den Überblick behalten und du jeden Tag ein bisschen was machst. Das kriegen wir hin!“

Super ist es, Kinder auf den praktisch immer auftretenden Notenabfall in der 5. Klasse vorzubereiten. Viele Kinder kennen aus der Grundschule gar nicht die Note 4 und plötzlich wird der Erdkundetest („Sollten wir da überhaupt für lernen?“) mit 4 bewertet und die Welt geht unter. Erklären Sie Ihrem Kind: Es gibt nichts Unwichtigeres als die Noten in der 5. Klasse. Viel wichtiger: Komme ich gut in der neuen Schule an? Baue ich Beziehungen zu LehrerInnen und SchülerInnen auf? Fühle ich mich sicher? Lerne ich viel und mit Spaß? Das ist das Entscheidende! Das Notenniveau aus der Grundschule wird oft erst Ende der 6. Klasse wieder erreicht.

Mobil-e: Zack, es ist passiert, das Kind kommt mit einer schlechten Note nach Hause. Und jetzt?

Caroline von St. Ange: Meine erste Frage: Hat das Kind sein Bestes gegeben? Wenn nein: Dann ist das eben das Resultat! Sagt ja nichts aus, denn das Kind hat sich nicht angestrengt. Hat das Kind allerdings viel gelernt und tatsächlich sein Bestes gegeben, befinden wir uns in einer sogenannten Lernkiller-Situation. Warum? Der logische Schluss von „Vorher habe ich wenig gelernt und eine schlechte Note geschrieben. Nun habe ich viel gelernt und trotzdem eine schlechte Note geschrieben. Also: Viel Lernen bringt nichts.“ liegt hier sehr nahe und ist natürlich brandgefährlich!

Das ist auch mein Hauptproblem mit Noten. Es wäre sehr viel förderlicher, wenn eine Note die Entwicklung des Kindes von Zeitpunkt A zu Zeitpunkt B abbilden würde. Wenn das Kind in den letzten Wochen viel gelernt hat: gute Note, wenn nicht: schlechte Note. Das macht Sinn. Ein Kind ständig am Klassendurchschnitt zu messen eher nicht.

Zum Kind würde ich sagen: „Du hast so viel gelernt und trotzdem wurde deine Anstrengung noch nicht belohnt. Das tut mir so leid. Ich kenne dieses Gefühl auch aus meinem eigenen Leben ganz genau. Und weißt du was? Immer, wirklich jedes Mal, hat sich meine Anstrengung irgendwann doch ausgezählt. Früher oder später wird Anstrengung belohnt, meistens aber später. Das ist wirklich hart für dich. Ich verspreche dir: Es hat etwas gebracht! Wir machen uns jetzt trotzdem einen schönen Tag und lassen die blöde Note eine blöde Note sein. Ich bin bei dir und du bist nicht allein. Morgen schmieden wir einen Plan, wie es weitergeht!“

Mobil-e: Ein Thema, bei dem sich die Geister scheiden, aus Ihrer persönlichen Sicht: Wie sinnvoll sind Hausaufgaben?

Caroline von Lorne von St. Ange: Lustigerweise scheiden sich die Geister hier gar nicht so sehr. Wissenschaftlich ist der Nutzen von Hausaufgaben nicht belegt. Es ist eher ein gefühlter Nutzen und natürlich die Denke: „Hausaufgaben, das gehört eben dazu“ oder „Die haben wir doch auch gemacht!“ Ich finde Hausaufgaben aber auch nicht schlimm, wenn sie gut gewählt sind! Das heißt, das Kind muss in der Lage sein, sie alleine zu machen. Ideal sind digitale Übungsaufgaben, die direkt korrigiert werden und spielerisch sind (wie z.B. bei der „Anton“-App). Andernfalls hängt der Hausaufgabenerfolg stark vom Bildungsgrad und den zeitlichen bzw. finanziellen Ressourcen der Eltern ab. Damit wirkt unsere Hausaufgabenkultur wie ein Brandbeschleuniger auf die sowieso schon hohe Bildungsungerechtigkeit in unserem Land. Deshalb wäre ich prinzipiell für weniger Hausaufgaben. Es hat sich gezeigt, dass es für den Lernerfolg sinnvoller ist, in der Schule zu üben, wo man schnell Rückfragen stellen kann und falsch Gelerntes sofort bemerkt wird.

Als Alternative könnte man den Input, also die Einführung eines Themas, heutzutage gut nach Hause verlagern. Es erklärt ja eh niemand Mathe so gut wie Daniel Jung oder Lehrer Schmidt. ;) Also, Hausaufgaben in Zukunft: Schaue dieses Video und löse diese Aufgaben in der Anton-App. Das wäre für alle, Lehrkräfte, Eltern und SchülerInnen ein Segen!

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