Medienkonsum von Kindern: Darauf sollten Sie achten!
„Biiiiitte! Nur noch eine Folge …“ – Wenn die Kinder erst einmal vor dem Fernseher kleben, dann ist es gar nicht so leicht, sie wieder davon zu lösen. Und manchmal ist man ja auch ganz dankbar für diese paar Minuten Ruhe. So hat sich sicher ein Großteil der Eltern, nicht nur zu Coronazeiten, schon mal dabei ertappt, wie man dem Kind den Fernseher anmacht oder das Tablet in die Hand drückt, um mal eben schnell etwas zu erledigen. Und genauso kennen die meisten wohl auch das schlechte Gewissen, das damit einhergeht. Das besagt zumindest eine forsa-Umfrage zum Medienkonsum von Kindern, die von der BKK Mobil Oil in Auftrag gegeben wurde.
Der Experte Prof. Dr. Herbert Scheithauer erklärt im Interview, wie die Umfrageergebnisse in der aktuellen Situation einzuordnen sind, welche Risiken mit der frühen Mediennutzung einhergehen und wie Eltern den Spagat zwischen der Arbeit und der Beschäftigung der Kinder meistern können.
Herr Prof. Dr. Scheithauer, Fernsehen ist noch immer das Nr.-1-Medium bei Kindern und viele Eltern gaben an, aufgrund des hohen Medienkonsums der Kinder ein schlechtes Gewissen zu haben. Wie ordnen Sie diese Ergebnisse der Befragung ein?
Noch nie gab es eine vergleichbare Situation, bedingt durch die Corona-Pandemie, in der die Eltern über einen längeren Zeitraum so gefordert waren. Die Bedürfnisse des Kindes, die eigene Arbeit im Homeoffice, Homeschooling – und das alles ohne Großeltern, Freunde und andere Familien –, das war eine Belastungsprobe! Es macht also absolut keinen Sinn, sich selbst zu „zermatern“. Natürlich haben Eltern ein schlechtes Gewissen, sie wollen doch perfekt sein als Eltern, Erziehende, Erwachsene.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass den Eltern eigentlich klar ist, worin die Risiken der intensiven Mediennutzung liegen können: Beeinträchtigung des Bewegungsdrangs und der Lust des Kindes auf freies Spielen ohne Spielvorgaben. 37 % der Befragten geben sogar an, dass die Mediennutzung ihr Kind nervös oder reizbar mache. Es sind aber auch positive Aspekte zu nennen: So geben fast alle Eltern an, darauf zu achten, dass die Inhalte altersgerecht aufbereitet sind oder einen pädagogischen Wert für ihr Kind haben. Auch Empfehlungen zu Altersbeschränkungen nehmen immerhin 60 % der Befragten ernst.
Aber natürlich sollten Medien jeglicher Art nicht zum Selbstzweck werden und dauerhaft den direkten Austausch zwischen Kind und Eltern sowie zu anderen Kindern ersetzen – dies sollte nach wie vor im Vordergrund stehen, da Kinder im direkten Kontakt, Gespräch und Spiel wichtige Dinge lernen.
Die Umfrage ergab, dass bereits Kindergartenkinder regelmäßig Smartphones, Tablets und PCs benutzen. Teilweise sogar täglich. Welche Risiken gehen mit der häufigen Nutzung für so kleine Kinder einher?
Neben vielen Vorzügen und auch positiven Aspekten für die Entwicklung von Kindern, die eine Nutzung „neuer Medien“ mit sich bringen kann, dürfen mögliche Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Dies sind einerseits Risiken, die sich aus der intensiven Mediennutzung ergeben, andererseits Risiken, die sich aus den Medieninhalten ergeben. Sitzen Kinder häufig vor Tablet und Co., so können sie nicht das tun, was Kinder üblicherweise in dem Alter tun: sich bewegen und mit anderen interagieren. Sitzt ein Kind ständig vor Tablet und Co., bewegt es sich weniger und orthopädische Phänomene wie der „Handynacken“ oder Probleme in der Motorik bis hin zu Konzentrationsproblemen in der Schule sind zu beobachten.
Häufig konsumieren Kinder über diese Geräte Medieninhalte oder spielen einfache Spiele, die sie nicht in Kreativität und anderen wichtigen Kompetenzen fördern. Inhaltlich müssen die Geräte natürlich gesichert sein, sodass keine altersuntypischen Inhalte oder gar Bedrohungen, wie Cybermobbing, Cybergrooming usw., möglich sind. Ebenso müssen Verkaufssperren und Virenscanner installiert sein. Aber Kinder können unter Umständen auch inhaltlich überfordert werden – auch wenn die FSK- und Altersvorgaben eingehalten wurden. Manchmal werden insbesondere in den „billigen“ Formaten für Kinder Geschlechterstereotypien verbreitet, Personen verunglimpft oder sogar Gewalt verherrlicht, weshalb Kinder – insbesondere in jungen Jahren – Medien nicht ohne Eltern oder andere Aufsichtspersonen nutzen sollten.
Welche Tipps haben Sie für Eltern, die im Homeoffice tätig sind, wie sie die Kinder angemessen beschäftigen?
Die Frage ist doch: Wozu sollen Medien dienen und verwendet werden? Das „einfache Konsumieren“ von Medieninhalten und das passive „sich berieseln zu lassen“ sind natürlich nicht so gut wie das sinnvolle Einsetzen von Medien – zum Beispiel beim Kniffeln oder Malen, aber auch, wenn diese gemeinsam mit den Eltern genutzt werden und zusammen einfach Spaß erlebt wird. Es macht durchaus Sinn, dass sich die Erwachsenen jetzt Gedanken darüber machen: Wie gehen wir damit um, wenn noch einmal so etwas wie eine Pandemie auf uns zukommt? Medien sollten nicht als Ablenkung für Emotionen und Konflikte eingesetzt werden oder um wiederholt das Kind „ruhigzustellen“. Die Mediennutzungszeit sollte reglementiert und richtig ausgewählt werden. Erwachsene müssen ihren Kindern zunächst Angebote machen. Da heißt es geduldig sein und immer wieder versuchen, die Kinder für eine Aktivität ohne Medien zu gewinnen. Manchmal sind es auch einfache Sachen, die dem Kind erst einmal wieder gezeigt werden müssen. Spielen, Verkleiden, Fantasiespiele sind für Kinder sehr wichtig und funktionieren auch ohne zusätzliche Medien. Gerade die einfachen Sachen können, wenn sich die Kinder erst einmal darauf einlassen, viel bewirken: Bausteine, ein Ball oder Kreide. Mut zur Einfachheit ist gefragt.
Die Umfrageergebnisse und weitere Anregungen zu alternativen Beschäftigungsideen gibt es unter bkk-mobil-oil.de/medienkonsum