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Work & Life 01/2022
Frau sitzt mit ausgestreckten Armen auf einem Feld und atmet tief durch.

Richtig atmen – so geht‘s

Unserem Atem schenken wir meist wenig Beachtung – immerhin holen wir von Geburt an ganz automatisch Luft. Doch atmen wir auch richtig? Experte Torsten Liem verrät, wie wir mit Atemübungen positive Effekte für Gesundheit und Wohlbefinden erzielen.

Die meiste Zeit unseres Lebens atmen wir völlig unbewusst ein und aus. Manchmal jedoch spüren wir den Atem genau. Oft geschieht das, wenn er knapp wird, beispielsweise wenn wir uns körperlich anstrengen oder vor etwas Angst haben. Welche Funktion die Atmung hat und wie wir richtig atmen, haben wir den erfahrenen Hamburger Osteopathen, Dozenten und Autor Torsten Liem gefragt. Im Interview hat er uns zudem einige effektive Übungen mit auf den Weg gegeben.

Mobil Krankenkasse: Herr Liem, atmen ist lebensnotwendig – aber was passiert dabei eigentlich im Körper?

Torsten Liem: Die Hauptfunktion des Atmens ist der Gasaustausch in der Lunge. Das bedeutet, dass beim Einatmen der Sauerstoff aus der Luft ins Blut übergeht, während beim Ausatmen Kohlendioxid vom Blut in die Atemluft und in die Umgebung abgegeben wird. Dieser Vorgang ist deswegen lebensnotwendig, weil viele chemische Reaktionen im menschlichen Körper Sauerstoff benötigen. Steht nicht genug Sauerstoff zur Verfügung, nehmen das Gehirn und andere Organe Schaden. Aus osteopathischer Sicht dient die Atmung der Verteilung des lebensnotwendigen Sauerstoffs durch das Herz-Kreislauf-System im gesamten Organismus. Gemeinsam sind das Atmungs- und das Herz-Kreislauf-System der Motor, der uns am Leben erhält. Eine gute Atembewegung hat aber noch viele weitere wichtige Funktionen – so unterstützt sie auch den Lymphfluss im Körper und ist eine gute Drainage der Organe. Daneben gibt es auch die innere Atmung, die den Zellen zur Energiegewinnung dient. Sie ist von inneren Kraftwerken, den Mitochondrien, abhängig. Das sind winzige Gebilde innerhalb einer Zelle. Sie können unter anderem durch Stress zerstört werden.

Mobil Krankenkasse: Welche Muskelpartien arbeiten beim Atmen?

Torsten Liem: Hier muss man zwischen den beiden Atemphasen unterscheiden. Beim Einatmen wird die Atemluft auf die verschiedenen Lungenteile verteilt. Diese sogenannte Ventilation kommt nicht durch die Lunge selbst zustande, sondern durch die Atemmuskulatur. Hauptsächlich daran beteiligt sind das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln. Das Zwerchfell bewegt sich durch die Anspannung nach unten und drückt alle darunter liegenden Organe des Brustkorbs in den Bauchraum, sodass sich unsere Bauchdecke beim Einatmen hebt. Wir sprechen dann von der Bauchatmung. Die Anspannung der Zwischenrippenmuskeln wiederum bewirkt, dass sich der Brustkorb beim Einatmen seitlich ausdehnt, damit sind sie für die Brustkorbatmung verantwortlich. Beim Ausatmen erschlaffen die oben genannten Muskeln, sodass die Lunge passiv zusammengepresst wird und die Luft aus den Lungenbläschen entweicht. Die Bauchmuskeln unterstützen diesen Prozess. Wenn wir uns körperlich stark anstrengen und bei bestimmten Lungenkrankheiten werden auch die Atemhilfsmuskeln in Hals, Brustkorb und Bauch aktiv.

Mobil Krankenkasse: Gibt es eine richtige und eine falsche Atmung?

Torsten Liem: Richtig atmet man in Ruhe durch die Nase bis in den Bauch, sodass sich die Bauchdecke hebt. Eine kurze und flache Brustkorbatmung ist in Ruhe ungünstig, weil dabei zu wenig Sauerstoff ins Blut und damit in die Organe gelangt. Dies kann zu einer ganzen Reihe von Problemen wie Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Müdigkeit führen. Hinzu kommt: Werden die inneren Organe durch die Atmung nicht ausreichend drainiert und bewegt, können weitere Symptome wie zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Auch eine schlechte Haltung, beispielsweise ein eingefallener runder Rücken und nach vorne gezogene Schultern, beeinflusst die Atmung. Statt einem halben Liter Luft dringt dann weniger Luft pro Atemzug in die Lungen.

Mobil Krankenkasse: Kann man lernen, dauerhaft richtig zu atmen?

Torsten Liem: Ja, und da wir 10 bis 15 Mal in der Minute atmen, also am Tag etwa 23.000 Mal, lohnt sich ein solches Atemtraining auf jeden Fall. Zu Beginn sind gezielte Atemübungen sinnvoll. Irgendwann wird die „neue“ Atmung dann zur Gewohnheit. Auch eine bewusste Körperbewegung und -haltung sowie positive Gefühle verbessern die Atmung, was wiederum Körper, Geist und Seele zugutekommt. Außerdem ist es wichtig, die richtige Luft zu atmen. Ich empfehle regelmäßige zügige Waldspaziergänge, idealerweise drei Stunden in der Woche – das wirkt wie eine Wundergesundheitspille auf den Körper. Ein letzter Tipp: Spülen Sie Ihre Nase ein bis zwei Mal pro Woche abends vor dem Schlafengehen mit einer Nasendusche, um freier atmen zu können. Dazu lösen Sie neun Gramm Salz in einem Liter lauwarmem Wasser auf.

Mobil Krankenkasse: Welche Atemübung würden Sie empfehlen?

Torsten Liem: Eine leicht zu praktizierende Übung ist zum Beispiel, tief und zügig 10 bis 30 Mal ein- und auszuatmen, dann die Luft 30 bis 60 Sekunden anzuhalten und anschließend normal weiterzuatmen. Dies sollte regelmäßig drei bis acht Mal pro Tag geübt werden. Studien haben gezeigt, dass Atemübungen mit gezielt eingesetztem kurzzeitigem Sauerstoffentzug unter anderem die Sauerstoffaufnahme erhöhen, die Regulation des Blutzuckerspiegels und die Herzmuskelfunktion verbessern, den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken können.¹ Auch ausgiebiges Lachen vertieft die Atmung und tut zudem der Psyche gut.

Mobil Krankenkasse: Inwiefern beeinflussen sich Psyche und Atmung, beispielsweise bei Stress?

Torsten Liem: Unsere Atmung wird in der Regel unbewusst vom Atemzentrum im Hirnstamm gesteuert. Chronischer Stress führt nicht selten zu angespannter, oberflächlicher, beschleunigter Atmung, die mehr im Brustkorb als im Bauch stattfindet. Umgekehrt kann die Atmung auch Stressreaktionen beeinflussen. Verschiedene Arten von Interventionen, zum Beispiel Gähnen, Muskelentspannung oder Selbstmassage, führen zu einer vertieften Atmung und damit zu einer wirksamen Stressreduktion. Auch reine Atembeobachtung und verschiedene Atemübungen können sich positiv auf Stressreaktionen auswirken.

Mit Atemübungen zu mehr Wohlbefinden

Mit Atemübungen lässt sich auch gezielt arbeiten, um bestimmte Effekte zu erzielen. Torsten Liem hat uns zwei Übungen aus seinem neuen Buch „Das Osteopathie-Selbsthilfe-Buch“ verraten.

Stressreduktion: langes Ausatmen

  • Nehmen Sie eine stabile, aufrechte und entspannte Sitzhaltung ein. Sitzen Sie auf einem Stuhl, sollten beide Füße sicheren Kontakt zum Boden haben.
  • Atmen Sie nun fünf Minuten ruhig ein und aus. Dabei sollte die Ausatmung doppelt so lang sein wie die Einatmung. Zählen Sie beispielsweise bei der Einatmung bis vier und bei der Ausatmung bis acht.
  • Die Übung können Sie morgens und abends durchführen. Für eine dauerhafte Wirkung praktizieren Sie sie etwa sechs Tage die Woche über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg.

Mehr Vitalität und bessere Konzentration: Atemöffner

  • Vorbereitung: Die Füße stehen parallel, schulterbreit voneinander entfernt. Die Knie sind locker und leicht gebeugt. Kiefer und Schultern sind entspannt. Atmen Sie durch die Nase ein und durch den Mund aus. Die Augen sind leicht geöffnet. Die Zunge ist sanft hinter den Schneidezähnen an den Gaumen gelegt.
  • Schritt 1: Legen Sie die Hände etwa 1,5 cm unterhalb des Bauchnabels übereinander. Mit der Einatmung führen Sie die gebeugten Arme vor dem Körper mit nach oben gerichteten Handflächen bis etwa 10 cm über den Kopf. Mit der Ausatmung bringen Sie die Arme vor dem Körper mit nach unten gerichteten Handflächen zurück in die Ausgangsstellung.
  • Schritt 2: Führen Sie während der Einatmung die Arme vor dem Körper nach oben, die Handflächen zeigen nach oben, die Finger zueinander. Legen Sie im Verlauf der Bewegung die Handrücken aneinander und richten Sie die Finger nach oben. Drehen Sie dann vor der Stirn die Hände, sodass die Handflächen erst zueinander und dann nach vorn zeigen, und führen Sie die Arme gestreckt über den Kopf. Mit der Ausatmung lösen sich die Hände voneinander, drehen Sie die Handflächen nach außen und führen Sie die leicht gebeugten Arme seitlich im Bogen zurück nach unten. Die Handflächen zeigen zunächst nach unten und dann nach hinten.
  • Schritt 3: Heben Sie während der Einatmung die Arme seitlich in einem Bogen bis auf Schulterhöhe und beugen Sie dann die Ellenbogen. Die Handflächen zeigen dabei zunächst nach vorne und drehen dann nach oben. Oberhalb des Kopfes führen die Arme eine Art Halbkreis aus, dabei kommen die Finger beider Hände zueinander und berühren sich leicht. Mit der Ausatmung bringen Sie die gebeugten Arme vor dem Körper mit zum Körper gerichteten Handflächen hinab zurück in die Ausgangsposition.
  • Schritt 4: Führen Sie während der Einatmung die gebeugten Arme vor dem Körper mit nach oben gerichteten Handflächen bis auf Brusthöhe. Mit der Ausatmung drücken Sie die Handflächen zur Seite gegen imaginäre Wände und bringen Sie anschließend die Hände wieder in die Ausgangsstellung. Am Ende der Übungsabfolge können Sie für einen Moment die Augen schließen und in sich hineinspüren.
  • Führen Sie die vier Übungen je drei Mal aus.

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Finger berühren Wasseroberfläche des Sees bei Sonnenuntergang.

Gesundheitsförderung durch Achtsamkeit und Mitgefühl

Achtsamkeit und Mitgefühl sind zwei kontemplative (lat. contemplatio: geistige Betrachtung) Praktiken, die aktuell immer häufiger im Rahmen von Präventionskursen bzw. von therapeutischen Interventionen angeboten werden. Verwurzelt in asiatischen Traditionen finden sie als säkulare (weltliche) Programme Eingang in vielerlei Bereichen der Gesundheitsförderung. Wir erklären, warum das Kultivieren von Achtsamkeit und Mitgefühl mit Blick auf die individuelle Gesundheit und auf die Gestaltung sozialer Beziehungen lohnenswert ist.

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