Ambulant operieren: Experten im Interview
Dr. Tanz und Dr. Eger erläutern Vorteile, Voraussetzungen und weitere nützliche Infos zur ambulanten Kinderchirurgie.
Unsere Experten
Damit ambulante Operationen durchgeführt werden können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Darüber hinaus ist jede Operation eine Individualentscheidung zwischen Arzt und Patient.
Unsere Experten Dr. Tanz und Dr. Eger erläutern wichtige Punkte zu diesem Thema im Interview:
- Dr. Ralf Tanz, Facharzt für Kinderchirurgie und 2. Vorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Kinderchirurgen Deutschlands.
- Dr. Lutz Eger, HNO-Facharzt und Spezialist auf dem Gebiet der Lasertonsillotomie.
Herr Dr. Tanz, welche Vorteile bieten ambulante Eingriffe Ihrer Ansicht nach?
Dr. Tanz: Bei einer ambulanten Operation erfolgt die medizinische Versorgung, genauso wie bei einem stationären Aufenthalt, auf höchstem Niveau und bietet viel Sicherheit. Bis direkt vor der Operation und sofort danach können die Eltern bei ihren Kindern bleiben. Die psychischeBelastung ist für die Kinder nicht so hoch, da sie abends wieder nach Hause dürfen.
So müssen sie nur wenige Stunden in einer fremden Welt verbringen. Die Angst vor der Operation ist schnell vorbei und die Trennung von den Eltern nur ganz kurz. Sollten zu Hause, unter der Narkose oder während der Operation unerwartete Komplikationen auftreten, kann das Kind kurzfristig stationär aufgenommen werden.
Welche Voraussetzungen gibt es für ambulante Operationen bei Kindern?
Dr. Tanz: In der Regel führen Kinderchirurgen keine ambulanten Operationen bei Babys unter 6 Monaten („Frühchen“ unter 1 Jahr), chronisch kranken Kindern (z. B. Herzprobleme, Stoffwechselerkrankungen, schwere angeborene Fehlbildungen, bestimmte Formen von chronisch obstruktiven Erkrankungen der Atemwege, Blutgerinnungsstörungen), nach frisch überstandenen schweren Krankheiten, direkt nach Impfungen und bei Operationen mit großem Aufwand oder Blutverlust durch.
Voraussetzung für einen ambulanten Eingriff sind Eltern, die körperlich und seelisch in der Lage sind, ihr Kind zu Hause weiter zu pflegen. Damit die Kinder optimal versorgt sind, finden ausführliche Gespräche mit dem ambulanten Operateur bzw. Narkosearzt statt. Wichtig ist auch, dass für alle Eventualitäten das Praxisteam für auftretende Notfälle geschult ist.
Eine Zertifizierung der Praxis z. B. nach QEP oder DIN ISO gibt zusätzlich Sicherheit. Schon im Vorfeld können Eltern helfen, ihr Kind mit Büchern oder Hörspielkassetten auf das bevorstehende Ereignis vorzubereiten.
Wichtig ist, dass die Eltern ihre eigenen Ängste nicht auf das Kind übertragen. Alle Fragen können vor der Operation ausführlich mit dem Arzt besprochen werden.Es ist wichtig, dem Kind Ruhe und Vertrauen zu vermitteln, damit es in der fremden Situation keine Angst hat. Viele Kinder machen schon wenige Stunden nach der Operation wieder einen fitten Eindruck. Dennoch sollten sie die nächsten Tage zu Hause in Ruhe verbringen, bis sich der Organismus erholt hat – denn auch eine ambulante Operation ist eine Operation.
Wichtig ist, dass die Eltern ihre eigenen Ängste nicht auf das Kind übertragen.
Herr Dr. Eger, welche Operationen führen Sie häufig ambulant bei Kindern durch?
Dr. Eger: Die häufigsten ambulanten HNO-Operationen in unserer Praxis sind die Adenotomie („Polypen- OP“), die Lasertonsillotomie („Mandelkappung mit Laser“) und die Paukendrainage („Einsetzen von Trommelfell-Röhrchen“).
Tonsillotomie ist die Teilentfernung der Gaumenmandeln und stellt die Alternative zur Tonsillektomie, der vollständigen Entnahme dieser Organe, dar. Dieser Eingriff wurde bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit einer Metallschlinge im kurzen Ätherrausch als ziemlich blutiger Eingriff durchgeführt.
Er erlebt jetzt seit mehr als zehn Jahren eine Renaissance, nachdem der Laser und moderne schonende Narkoseverfahren die Risiken des Eingriffs auf einen Bruchteil reduzieren konnten.
Warum und wann ist eine Teilentfernung der Mandeln besser als eine vollständige?
Dr. Eger: Sind gehäufte Mandelvereiterungen das Hauptproblem, so ist das noch immer der typische Grund für die konventionelle Tonsillektomie, also für die vollständige Entfernung der Gaumenmandeln. Wegen der mit dem Eingriff verbundenen Nachblutungsgefahr von 2 bis 15 % wird dieser Eingriff in Deutschland fast ausschließlich mit einem stationären Aufenthalt von fünf bis sechs Tagen nach der OP verbunden. Dies ist erforderlich, um im Blutungsfall rasch eine definitive Blutstillung zu bewirken.
Trotz dieses hohen Sicherheitsstandards kommt es in Deutschland alljährlich zu mehr als fünf tödlich verlaufenden Nachblutungen nach vollständiger Mandelentfernung. Fallen aber bei riesigen Mandeln zugleich starkes Schnarchen, verbunden mit Atemaussetzern, Schlafen mit überstrecktem Kopf, anhaltende Mundatmung, Appetitlosigkeit, Gedeihstörungen, Hörminderung und/oder Infektneigung auf, so ist die Tonsillotomie mit großer Sicherheit ausreichend und hilfreich.
Bei diesem Eingriff ist die Nachblutungsgefahr 50 bis 500-mal geringer als bei der Tonsillektomie. Aus diesem Grunde ist in vielen Fällen der Eingriff auch ambulant möglich, was Eltern und Kinder zu schätzen wissen. Zudem sind die Dauer und Intensität der Schmerzen nach der OP deutlich vermindert.
Auch wird von Kinderärzten als positiv bewertet, dass nach der Lasertonsillotomie noch funktionierendes Mandelgewebe im Körper verbleibt.
Wie läuft diese Operation ab?
Dr. Eger: Diese alternativen Methoden zum Laser sind ebenfalls allesamt „heiße“ Verfahren. Bei ihnen wird durch elektrischen Hochfrequenzstrom oder mechanische Schwingungen Gewebe so weit erwärmt, dass es punktuell verbrannt, verdampft oder zumindest aufgelöst wird.
Dabei werden kleine Blutgefäße zuverlässig verschlossen. Die Verfahren unterscheiden sich nur wenig im Endergebnis, teils aber deutlich in den Anschaffungskosten des technischen Equipments, in den Kosten für die Einweginstrumente und im Sicherheitsaufwand. Letzterer ist insbesondere beim CO2-Laser sehr hoch.
Die beste Methode, das Blutungsrisiko zu reduzieren, ist übrigens nicht zu operieren! In jedem Einzelfall ist die Indikation zur OP auch unter Einsatz moderner Methoden wirklich streng zu stellen.
Man hört immer wieder von zum Teil schweren Komplikationen in Form von Nachblutungen. Wie schätzen Sie das Risiko nach einem Eingriff mit diesen Operationsmethoden ein?
Dr. Eger: Bei allen Methoden der Mandelteilentfernung ist die Wahrscheinlichkeit der Nachblutung um 2–3 Zehnerpotenzen geringer als bei der Tonsillektomie. Bisher am besten untersucht ist die Tonsillotomie mit Laser. Bei meinen eigenen Patienten gab es bei inzwischen über 500 Lasertonsillotomien nur eine versorgungspflichtige Nachblutung.
Von den anderen Methoden sind mir bisher nur Untersuchungen an deutlich kleineren Patientenkollektiven bekannt – mit Nachblutungsraten ebenfalls weit unter denen der Tonsillektomie. Die Wahrscheinlichkeit einer tödlich verlaufenden Nachblutung bei der konventionellen Tonsillektomie ist 1:12.000, über tödlich endende Tonsillotomien fand ich bisher keine Literaturhinweise.