Jeder Mensch benötigt Nahrung, um zu leben – wie ein Auto Benzin braucht, um zu fahren. Eigentlich ganz einfach. Und doch wird das Essen für immer mehr – vor allem junge – Menschen zum Problem: Einige üben sich in Verzicht, weil sie sich nicht schlank genug finden. Andere plündern den Kühlschrank, um ihre Emotionen zu betäuben. Insgesamt finden sich bei fast jedem fünften deutschen Jugendlichen Anzeichen eines gestörten Essverhaltens, wobei Mädchen deutlich häufiger betroffen sind.1
Essstörungen sind eine ernsthafte psychische Erkrankung
- Magersucht (Anorexia nervosa): Sie zeichnet sich durch eine übermäßige Angst vor Gewichtszunahme aus. Betroffene leiden unter einem gestörten Körperbild und hungern sich oft bis zu einem extremen Untergewicht.
- Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa): Sie beinhaltet wiederholte Essattacken, gefolgt von Verhaltensweisen wie Erbrechen oder übermäßigem Sport, um Kalorien zu kompensieren.
- Binge-Eating-Störung: Sie ähnelt der Bulimie mit unkontrollierbaren Essanfällen, allerdings versuchen Betroffene nicht, die Kalorien durch Erbrechen oder Ähnliches wieder loszuwerden.
Ganz gleich, in welcher Form sie sich äußert: Eine Essstörung kann das körperliche und seelische Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen und in schweren Fällen lebensbedrohlich sein – sie ist also nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte.
Vielfältige Ursachen, vielfältige Ausprägungen
Es gibt verschiedene Faktoren, die zur Entstehung von Essstörungen beitragen können, darunter genetische Veranlagung und prägende Erfahrungen. Doch warum sind gerade junge Menschen so oft betroffen? Verschiedene Aspekte können dabei eine Rolle spielen:
- Ein wichtiger Punkt ist, dass das Selbstwertgefühl sich in dieser Zeit noch in der Entwicklung befindet. Negative Kommentare zu Figur und Aussehen können gerade jetzt das eigene Körperbild stark beeinflussen. Manche versuchen dann, das Gefühl der Unzulänglichkeit zu kompensieren, indem sie ihr Essverhalten kontrollieren.
- Ein anderer Faktor ist das extrem schlanke Schönheitsideal, das hierzulande noch immer zum Standard gehört. Vor allem bei Jugendlichen schürt es oft die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und erhöht die Gefahr einer Essstörung.
- Auch Social Media spielen eine Rolle, denn sie machen es leichter, sich mit anderen zu vergleichen und sich selbst kritischer zu sehen. Bilder von vermeintlich perfekten Körpern können unrealistische Standards setzen und den Druck verstärken.
Was sind typische Anzeichen einer Essstörung?
Bei einer Essstörung geht es also nicht nur ums Essen, sondern um Emotionen, Stress, Druck und das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Doch wie kann man feststellen, ob man selbst unter einer Essstörung leidet? Tatsächlich variieren die Anzeichen je nach Art und Schweregrad, aber zu den häufigsten gehören:
- dramatische Gewichtsverluste oder -zunahmen
- ständige Gedanken über Essen, Kalorien und Gewicht
- Kontrollzwang über Mahlzeiten, Essenszeiten oder -orte
- Essanfälle, gefolgt von Verhaltensweisen wie Erbrechen oder exzessivem Sport
- soziale Isolation und Rückzug
- starke Selbstkritik und ein gestörtes Körperbild
- Mangel an Energie und Konzentration
- körperliche Beschwerden wie Magen- und Herzprobleme
„bauchgefühl“ macht Jugendliche stark gegen Essstörungen
Oft sind es Lehrkräfte, die früh mitbekommen, dass eine Schülerin oder ein Schüler in eine Essstörung rutscht oder schon darunter leidet. Die Mobil Krankenkasse unterstützt deshalb das vom Team Gesundheit entwickelte Unterrichtsprogramm „bauchgefühl“. „Pubertät, Entwicklungsherausforderungen, Leistungsdruck und on top multiples Krisengeschehen auf der Welt: Bei Heranwachsenden verdichtet sich aktuell ein ,emotionaler Hunger‘, der im Grunde die gesamte Gesellschaft umtreibt“, so Maja Schrader vom Team Gesundheit. „Das Programm ,bauchgefühl‘ bietet in diesen herausfordernden Zeiten sozusagen ein Erste-Hilfe-Training zum Umgang mit negativen Emotionen. Es gibt Raum zum Austausch sowie zum genauen Hinsehen und Gesehenwerden. Die Jugendlichen nehmen mit, dass sie mit ihren Sorgen und Unsicherheiten nicht allein sind, und sie lernen konstruktive Strategien zur Selbstregulation jenseits von essen bzw. nicht essen kennen.“
Anerkennung ist die Voraussetzung für Heilung
Wer die Vermutung hat, dass jemand in seinem Umfeld an einer Essstörung leidet, sollte unbedingt einfühlsam sein, die Person behutsam auf seine Beobachtungen ansprechen und Unterstützung anbieten, zum Beispiel bei der Suche nach einem Arzt, Psychologen oder Ernährungsexperten. Eine frühzeitige Intervention erhöht die Heilungschancen erheblich. Der allerwichtigste Schritt der Behandlung von Essstörungen ist allerdings, dass die betroffene Person selbst das Problem anerkennt und den Wunsch nach Veränderung hat. Wer sich gestresst fühlt, das Gefühl hat, nicht mit dem Druck umgehen zu können, oder sogar Anzeichen einer Essstörung bei sich bemerkt, sollte unbedingt darüber sprechen und den mutigen Schritt gehen, um Hilfe zu bitten. Die Unterstützung von Familie und Freunden kann hierbei von unschätzbarem Wert sein.
Wichtige Schritte, um Essstörungen die Stirn zu bieten
Einige konkrete Schritte können dabei helfen, sich selbst vor Essstörungen zu schützen:
- Selbstakzeptanz: Das A und O ist es, eine positive Einstellung zum eigenen Körper zu entwickeln und sich nicht von unrealistischen Schönheitsidealen beeinflussen zu lassen.
- Gesunde Ernährung: Wer sich ausgewogen und abwechslungsreich ernährt, braucht keine extremen Diäten und keine radikalen Ernährungsumstellungen, die zu Mangelerscheinungen führen können.
- Bewegung als Freude: Sport sollte nicht bloß zur Gewichtskontrolle dienen. Deshalb ist es wichtig, verschiedene Sportarten auszuprobieren, und etwas zu finden, was einem wirklich Spaß bringt.
- Stressbewältigung: Stressbewältigungsstrategien wie Meditation, Yoga oder Entspannungstechniken können dabei helfen, emotionales Essen oder übermäßigen Stress zu verhindern.
- Realistische Vorbilder: Statt Influencern zu folgen, die unrealistische Schönheitsideale propagieren, sollte man sich mit Menschen umgeben, die ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper haben.
- Achtsamkeit: Warnsignale verdienen Aufmerksamkeit. Wer bemerkt, dass sich das Essverhalten oder die Einstellung zum Körper verändert, sollte sich professionelle Hilfe suchen.
Mit „bauchgefühl“ Essstörungen verstehen, vorbeugen und heilen
Das Unterrichtsprogramm „bauchgefühl“ richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 6 bis 9 an allgemeinbildenden Schulen. Weitere Informationen, Themen und Inhalte gibt es auf der Webseite der Initiative „bauchgefühl“