Schluss mit dem Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
Kann man als Mutter glücklich und unglücklich zugleich sein? Das Baby lieben, doch das frühere Leben vermissen? Die Psychologin Britt Bürgel weiß, dass ein solches Gefühlschaos für Mütter völlig normal ist – und gibt Tipps für den Umgang damit.
Alles im Leben hat positive und negative Seiten – so ist es auch mit dem Muttersein. Dennoch fällt es vielen Frauen schwer, sich und anderen einzugestehen, dass der Alltag mit Kind nicht nur eitel Sonnenschein ist, sondern auch frustrierend und belastend sein kann. Die Psychologin und Coachin Britt Bürgel hat uns mehr über die verwirrenden Gefühle verraten, mit denen Mütter oft zu tun haben – und gibt Tipps, wie sie am besten damit umgehen.
Widersprüchlichkeit zu akzeptieren, ist nicht immer leicht
Schlafmangel, Unsicherheit im Umgang mit dem Baby, Probleme in der Partnerschaft – es gibt etliche Gründe, sich als Mutter überfordert, wütend und unglücklich zu fühlen, während man im gleichen Maße Freude und Liebe empfindet. „Die unterschiedlichen Facetten des Mutterseins anzuerkennen und ambivalente Gefühle auszuhalten, erfordert eine hohe Ambiguitätstoleranz – so nennen wir in der Psychologie die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit zu akzeptieren“, erklärt Britt Bürgel. Das ist für viele eine Herausforderung. Mütter haben oft verstärkt damit zu kämpfen, dass ihre Empfindungen so gar nicht mit den bisherigen Vorstellungen und den Erwartungen des Umfelds übereinstimmen. „Wagt eine Mutter den Schritt und offenbart ihre Gefühle, erntet sie oft Unverständnis oder gar Abwehr. Da fallen Sätze wie „Du wolltest doch so sehr ein Kind!“ oder „Das wird schon!“. Derartige Aussagen verstärken dann die Sorge, dass etwas mit ihr nicht stimmt oder sie gar eine „schlechte Mutter“ ist – und dass es vielleicht falsch war, überhaupt ein Kind zu bekommen.
Oft geraten die eigenen Bedürfnisse in Vergessenheit
Tatsächlich ist die Befürchtung, als Mutter zu versagen, einer der häufigsten Gründe, warum Frauen Britt Bürgel in ihrer Praxis in Köln aufsuchen. „Diese Angst geht bei den Betroffenen oft mit Gefühlen wie Traurigkeit, Enttäuschung und innerer Leere einher“, so die Psychologin. „Hinzu kommt in vielen Fällen eine Unzufriedenheit mit dem Leben als Mutter, in dem sie sich ständig gestresst fühlen, während es ihnen gleichzeitig schwerfällt, Hilfe anzunehmen. Sie entfernen sich mehr und mehr von den eigenen Bedürfnissen, weil sie unermüdlich versuchen, den Bedürfnissen des Kindes – und dem eigenen Anspruch an sich selbst – gerecht zu werden.“
Wünsche entsprechen nicht immer der Wirklichkeit
Aus Erfahrung weiß die Psychologin, dass manche Frauen den Wunsch haben, als Mutter das Beste aus ihrem bisherigen Leben zu behalten und quasi als Krönung das Kind hinzuzugewinnen. Andere sind beruflich oder privat nicht glücklich und hoffen, ihre Unzufriedenheit durch das Schöne des Mutterseins zu ersetzen. „Beide Erwartungen können sich nicht erfüllen“, weiß sie. „Das Leben mit Baby ist kein Problemlöser – es macht bestehende Probleme ganz im Gegenteil noch sichtbarer. Läuft es in einer Partnerschaft nicht rund, wird dies durch das Elternsein noch deutlicher. Und wer schon zuvor die Tendenz hatte, seine Bedürfnisse zu ignorieren, wird diese als Mutter noch weniger beachten. Das liegt daran, dass wir in jeder neuen Situation zunächst intuitiv auf alte Verhaltensmuster zurückgreifen – und zwar unabhängig davon, ob diese sich bewährt haben oder nicht.“
Viele Mütter fühlen sich alleingelassen
Ein weiteres Problem ist, dass Mütter sich oft für alles allein verantwortlich fühlen, wodurch es ihnen an Rückzugsmöglichkeiten fehlt. Sie sehen sich nicht in der Lage, irgendwelche Pläne zu machen. „Frauen fühlen sich dann wie abgeschnitten vom früheren Leben“, so die Expertin. „Alles, was vor der Geburt des Kindes möglich war, scheint in unerreichbare Ferne gerückt. Der Tagesablauf ist komplett vom Kind bestimmt, das Gefühl von Kontrolle geht verloren.“ Das könne sehr bedrohlich sein, vor allem, wenn Planung und Kontrolle für die betroffene Frau zuvor eine wichtige Strategie dargestellt hat, mit belastenden Gefühlen umzugehen.
Wie kann das Umfeld helfen?
„Gerade in dieser ungewohnten und vielfach belastenden Situation brauchen Frauen keine guten Ratschläge, sondern ein Gegenüber, das ihnen den notwendigen Halt und Raum gibt und sie so nimmt, wie sie sind, mit all ihrer Verunsicherung“, rät Britt Bürgel. „Deshalb ist es wichtig für uns als Gesellschaft, dass wir Müttern wie Vätern mit dem Verständnis gegenübertreten: Eltern sein ist wunderbar, bringt aber auch große Herausforderungen mit sich. Und obwohl du dich bewusst für ein Leben mit Kind entschieden hast, darfst du dich auch mal darüber beklagen.“
So verabschieden Sie sich vom Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
Für Frauen, die sich mit ihrer Rolle als Mutter überfordert und alleingelassen fühlen, hat uns Britt Bürgel fünf Tipps zusammengestellt.
- Zeigen Sie sich selbst gegenüber Verständnis
Sie dürfen Gefühle von Sehnsucht nach Ihrem „alten Leben“ haben – das bedeutet nicht, dass Sie eine schlechte Mutter sind.
- Sprechen Sie aus, wie es Ihnen geht
Wenn Sie sich trauen, Ihre Gefühle zu äußern, ist das ein mutiger Schritt – und er hilft nicht nur Ihnen, sondern immer auch dem Kind!
- Bitten Sie konkret um Hilfe
Sie brauchen niemanden, der das Baby spazieren fährt, sondern wünschen sich, dass jemand eine Suppe kocht? Dann sagen Sie es genau so. Falls Ihnen das schwerfällt: Vielleicht geht es einfacher mit einer Nachricht aufs Handy.
- Sie dürfen auch mal Nein sagen
Selbst, wenn es gut gemeint ist: Falls Ihnen jemand Hilfe anbietet, die sich nicht gut für Sie anfühlt, dürfen Sie sie ablehnen. Das hat nichts mit Undankbarkeit zu tun.
- Spielen Sie nicht die „Heldin“
Tränen sind okay – und es schadet Ihrem Baby nicht, wenn es Sie weinen sieht. Sie können ihm sagen, dass es Ihnen leidtut, dass Sie traurig sind und dass es nicht die Schuld daran trägt. Auch wenn es Ihre Worte noch nicht versteht, ist es trotzdem gut für Ihre Beziehung zueinander, weil Sie damit die Dinge an ihren rechten Platz rücken.
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