Seit Änderung des Betäubungsmittelgesetzes 2017 ist eine medizinische Verordnung über gesetzliche Krankenkassen möglich. „Die Versorgung mit Cannabis-haltigen Produkten hat sich in den vergangenen vier Jahren erheblich ausgeweitet“, berichtet Prof. Dr. Glaeske. „Im Jahre 2017 lagen die Ausgaben in der GKV bei 27 Millionen Euro, im Jahre 2018 schon bei 73,5 Mio. Euro, im Jahre 2019 bei 123 Mio. Euro und für 2020 kann man aus den ersten drei Quartalen Ausgaben in Höhe von 151 Mio. Euro prognostizieren – in vier Jahren also ein Zuwachs von mehr als 500 Prozent.“ Auch bei der BKK Mobil Oil sind seit 2017 über 1000 Anfragen auf Kostenübernahme eingegangen.

„Als gesetzliche Krankenkasse sehen auch wir großes Potenzial in der Förderung neuer Therapieoptionen, wie bspw. mit Cannabinoiden – als sinnvolle Ergänzung der Basistherapie und sofern sie von Fachärzten bei schwerwiegenden Erkrankungen verschrieben werden“, erklärt Mario Heise, Vorstandsvorsitzender der BKK Mobil Oil, und ergänzt: „Aufgrund kontroverser Diskussionen haben wir großes Interesse daran, das Thema näher und vor allem aus wissenschaftlicher Sicht zu durchleuchten.“

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Die bewilligten Anträge im Zeitraum 2017 bis Oktober 2019 beinhalteten folgende Indikationen:  27% aufgrund eines chronischen Schmerzsyndroms, bei 7% aufgrund von Rückenschmerzen, 6% wegen Spastik und 5% wegen Polyneuropathie. „Also überwiegend für Indikationen, in denen eine Reihe von Studien gezeigt haben, dass THC-haltige Medikamente im Mittel keine relevante Schmerzlinderung erzeugt“, kommentiert Professor Christoph Maier, renommierter Schmerzmediziner und ehemaliger Chefarzt der Schmerzklinik an der Universität Bochum.

Prof. Dr. Glaeske
Prof. Dr. Glaeske © Raphael Hünerfauth, Photothek

Das erstaunlichste Ergebnis: 62% der Leistungsausgaben entfielen im Jahr 2019 auf unverarbeitete Cannabisblüten bzw. Blüten in Zubereitungen. Und das, obwohl es mittlerweile im Markt standardisiert hergestellte und vor allem zugelassene gut wirksame Cannabis-Produkte gibt. Interessant: In Großbritannien, Österreich und der Schweiz sind getrocknete Blüten aufgrund von möglichem Missbrauch nur als Rauschmittel eingestuft.

Prof. Dr. Glaeske betont: „Eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere Klarstellung der gut untersuchten Anwendungsgebiete, Darreichungsformen und Dosierungen, Einschränkung der Verordnungserlaubnis auf Fachärzte sowie eine dringend überfällige Nutzenbewertung der gesamten Cannabis-Anwendungspalette sollte schnellstmöglich nachgeholt werden.“

Die wichtigsten Ergebnisse des Cannabis-Report 2020 wurden am 10.03.2021 in einer Online-Pressekonferenz vorgestellt. Die Aufzeichnung der Pressekonferenz können Sie sich hier ansehen.