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Ausgabe 04/2024
Familie 04/2024
Ein Vater hat sein Kind auf dem Arm, welches erkältet ist. Aktuelle Ausgabe

Infektparade für’s Immunsystem – wenn Kinder ständig krank sind

Viele Eltern sind in Herbst und Winter leidgeplagt: Kaum hat der Nachwuchs einen Infekt überstanden, naht auch schon der nächste. Ist es wirklich so, dass das normal und notwendig ist, damit sich das Immunsystem gut entwickeln kann? Wir haben Allgemeinmediziner und selbst Zweifach-Papa Dr. Jan-Philipp Albersmeier gefragt.

Allgemeinmediziner Dr. Jan Philipp Albersmeier
Allgemeinmediziner Dr. Jan Philipp Albersmeier
© privat

Herr Dr. Albersmeier, viele Eltern sind in Herbst und Winter leidgeplagt, weil ihr Kleinkind kaum ein paar Tage gesund ist und schon wieder mit dem nächsten (fiebrigen) Infekt kämpft – ist das normal und wann ist es das nicht mehr?

Dr. Albersmeier: Das ist tatsächlich ein ganz normales Phänomen bei Kleinkindern, besonders in den Herbst- und Wintermonaten. In den ersten Lebensjahren entwickelt sich das Immunsystem noch und muss sich gegen viele neue Erreger „trainieren“, da Kinder diesen Keimen oft erstmals in der Kita oder durch Kontakt zu anderen Kindern begegnen. 8 bis12 fieberhafte Infekte pro Jahr sind völlig normal – und in der kalten Jahreszeit kommen sie oft im Abstand von nur wenigen Tagen.

Kritisch wird es, wenn Infekte ungewöhnlich lange dauern (länger als zehn bis 14 Tage), die Symptome extrem stark sind oder das Kind sehr häufig Antibiotika benötigt. Auch wenn das Kind in kurzen Abständen immer wieder dieselben Symptome entwickelt, könnte es hilfreich sein, beim Kinderarzt oder der Kindärztin eine Überprüfung des Immunsystems vornehmen zu lassen. Ein weiteres Zeichen wäre, wenn das Kind im Frühling und Sommer ebenfalls ungewöhnlich oft erkrankt.

Solange sich das Kind zwischen den Infekten gut erholt, aktiv ist und gut gedeiht, ist das aber ein positives Zeichen dafür, dass das Immunsystem gesund auf Reize reagiert.

Wie lange dauert diese Phase in etwa an?

Dr. Albersmeier: Diese Phase der erhöhten Infektanfälligkeit dauert in der Regel etwa bis zum Vorschulalter, also bis zum fünften oder sechsten Lebensjahr. Bei vielen Kindern wird es ab dem vierten Lebensjahr bereits spürbar besser, weil ihr Immunsystem zunehmend „trainiert“ und widerstandsfähiger gegen gängige Erreger wird. Auch die Häufigkeit und Schwere der Infekte nimmt dann in der Regel ab.

Wie baut sich das Immunsystem bei Babys und (Klein-)Kindern auf?

Dr. Albersmeier: Das Immunsystem von Babys und Kleinkindern entwickelt sich in mehreren Schritten und wird in den ersten Lebensjahren stark gefordert und aufgebaut. Schon während der Schwangerschaft erhält das Baby über die Plazenta Antikörper von der Mutter, die es nach der Geburt vor vielen Krankheitserregern schützen. Nach der Geburt liefert die Muttermilch weiter wichtige Abwehrstoffe und fördert den Aufbau der Darmflora, die eine zentrale Rolle für die Immunabwehr spielt, da etwa 70 % der Immunzellen im Darm angesiedelt sind.

In den ersten Lebensmonaten und -jahren „lernt“ das Immunsystem durch den Kontakt mit unterschiedlichen Keimen, zwischen harmlosen und gefährlichen Erregern zu unterscheiden. Das passiert durch alltägliche Interaktionen: Besuche in der Kita, das Spielen im Freien und der Kontakt mit anderen Kindern und Tieren bringen das Immunsystem immer wieder in Kontakt mit neuen Mikroben. Jeder Infekt, den das Kind durchmacht, trainiert dabei die Immunabwehr und führt dazu, dass das Immunsystem spezifische Abwehrstrategien für verschiedene Krankheitserreger entwickelt.

Ab dem Kleinkindalter wird das Immunsystem zunehmend robuster, da das Kind auf die Erfahrungen mit Infekten zurückgreifen kann. Viele Kinder sind dann im Schulalter widerstandsfähiger und überstehen Infekte leichter. Eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und eine stressarme Umgebung fördern diesen natürlichen Aufbau.

Gibt es irgendetwas, das Eltern unterstützend tun können, um die Abwehr und das Immunsystem ihres Kindes zu stärken?

Dr. Albersmeier: Eltern können das Immunsystem ihres Kindes auf verschiedene Weise unterstützen, um die Abwehrkräfte langfristig zu stärken. Eine gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten liefert wichtige Vitamine und Mineralstoffe, die das Immunsystem benötigt. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft fördert zudem die Gesundheit, stärkt die allgemeine Abwehr und ermöglicht die Bildung von Vitamin D, das eine wichtige Rolle im Immunsystem spielt. Ebenso ist erholsamer Schlaf unverzichtbar, da sich das Immunsystem im Schlaf regeneriert – feste Schlafzeiten und beruhigende Einschlafrituale helfen hier.

Da etwa 70 % der Immunzellen im Darm sitzen, ist auch eine gesunde Darmflora entscheidend für die Abwehrkräfte. Probiotische Lebensmittel wie Naturjoghurt oder eine ballaststoffreiche Ernährung fördern die gesunde Darmflora und damit die Immunfunktion. Es hilft ebenfalls, wenn Kinder natürlichen Kontakt mit Keimen und Schmutz haben, etwa beim Spielen draußen. So kann das Immunsystem lernen, verschiedene Erreger besser zu erkennen und zu bekämpfen. Schließlich wirkt sich eine stressfreie, geborgene Umgebung positiv auf die Immunstärke aus, denn emotionale Stabilität unterstützt die körperliche Gesundheit und fördert eine gesunde Entwicklung der Abwehrkräfte.

Woran liegt es, dass manche Kinder sehr viel stärker betroffen sind als andere

Dr. Albersmeier: Dass manche Kinder häufiger und intensiver von Infekten betroffen sind, kann an verschiedenen Faktoren liegen, die individuell unterschiedlich stark wirken. Ein wesentlicher Grund ist die genetische Veranlagung: Kinder, deren Eltern oder Geschwister selbst oft krank sind oder waren, sind möglicherweise auch anfälliger für Infekte.

Das Immunsystem ist bei manchen Kindern einfach weniger ausgereift oder reagiert empfindlicher auf Krankheitserreger, was gerade in den ersten Lebensjahren zu häufigeren Infekten führen kann. Insbesondere bei Kindern die frühgeburtlich zur Welt gekommen sind, ist dies der Fall. Auch die Umgebung spielt eine Rolle. Kinder, die in die Kita gehen oder Geschwister haben, sind häufiger Keimen ausgesetzt, was anfangs zu mehr Infekten führt – langfristig wird das Immunsystem dadurch aber gestärkt.

Allergien oder eine empfindliche Atemwegsschleimhaut können ebenfalls Infekte begünstigen, da die Schleimhäute weniger gut in der Lage sind, Erreger abzuwehren. Schließlich sind Faktoren wie Ernährung, Schlaf, Stress und die allgemeine Lebenssituation wichtig: Kinder mit einem stabilen Umfeld, die gut versorgt und ausgeschlafen sind, haben meist ein robusteres Immunsystem.

Man hört ja immer, Kinder sollen 24 Stunden fieberfrei sein, um wieder in die Kita gehen zu können – kann man das wirklich so pauschal sagen?

Dr. Albersmeier: Grundsätzlich ist die „24-Stunden-fieberfrei-Regel“ eine Empfehlung, die sicherstellen soll, dass Kinder wieder fit genug sind, um am Kita-Alltag teilzunehmen und keine ansteckenden Krankheiten verbreiten. Diese Regel kann aber nicht immer pauschal angewandt werden, da es auf die Ursache des Fiebers und den Gesundheitszustand des Kindes ankommt.

Zum Beispiel kann Fieber als Reaktion auf Infektionen wie Erkältungen auftreten, die durch Viren ausgelöst werden. Selbst wenn das Fieber gesunken ist, kann das Kind noch ansteckend sein. In solchen Fällen macht es oft Sinn, noch etwas länger zu warten. Umgekehrt kann bei manchen fieberhaften Zuständen (wie Zahnen oder nach einer Impfung) die Ansteckungsgefahr gar nicht gegeben sein, sodass eine frühere Rückkehr möglich wäre.

Wichtig ist es, nochmals darauf hinzuweisen, dass Fieber im Kleinkindalter eine Temperatur von 38,5 °C bedeutet, alles darunter ist medizinisch gesehen kein Fieber. Am Ende ist für mich aber nicht die Zahl hinter dem Komma, sondern der Allgemeinzustand des Kindes entscheidend.

Wie sieht es mit Probiotika nach einer Antibiotika-Behandlung aus – sinnvoll?

Dr. Albersmeier: Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass der präventive Einsatz von Probiotika mit dem Beginn einer antibiotischen Therapie sinnvoll ist. Eine gesunde Darmflora baut sich nach der Antibiotikagabe von selbst innerhalb kurzer Zeit wieder auf. Bei Antibiotika-induziertem Durchfall kann die Gabe jedoch sinnvoll sein. Ich rate hier immer zur Rücksprache mit den Kinderärztinnen und -ärzten, da eine nicht indizierte Probiotikagabe auch zur Fehlbesiedlung der Darmflora führen kann und somit mehr Nebenwirkungen als Nutzen haben kann.

Die Kinder essen oftmals ja nicht gut, wenn sie krank sind und manche Eltern haben die Befürchtung, dass sie nicht alle Nährstoffe und Vitamine bekommen, was vielleicht wiederum den nächsten Infekt begünstigt, der nach der Rückkehr in den Kindergarten bereits lauert – ist es sinnvoll, die Kinder in der Infektzeit mit bestimmten Vitaminen/Mineralstoffen zu unterstützen (falls ja, welche)?

Dr. Albersmeier: In der akuten Infektphase können Zink und Vitamin C die Krankheitsdauer verkürzen. Eine generelle präventive Gabe ist aber nicht sinnvoll. Eine ausgewogene Ernährung ist immer der beste Weg, um den Nährstoffbedarf zu decken. Eine kurze Phase der reduzierten Nahrungsaufnahme während eines Infektes sollte Eltern nicht beunruhigen und wird keinen negativen Effekt auf das Immunsystem des Kindes haben

Ein paar letzte, Mut machende Worte an besorgte und infektgeplagte (Klein-)Kind-Eltern?

Dr. Albersmeier: Freuen Sie sich darüber, dass Ihr Kind nur banale Infekte hat und ansonsten gesund und munter ist und denken Sie daran: Es ist alles nur eine Phase!

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