
Achtsamkeit lernen und Stress abbauen
Zu viel Druck macht unzufrieden, mindert die Leistung und schadet langfristig der Gesundheit. Psychologin Prof. Dr. Petra Jansen erklärt, wie Achtsamkeitstraining bei der Stressbewältigung helfen kann, und verrät effektive Übungen.
Es ist paradox: Druck, den wir selbst oder andere uns machen, soll eigentlich zu einem schnelleren oder besseren Ergebnis führen. Tatsächlich passiert aber oft das Gegenteil: Der Stress lähmt uns regelrecht. Am Ende dauert alles länger als geplant – und mit dem Resultat sind wir auch nicht zufrieden. Schlimmstenfalls setzen wir uns jetzt noch mehr unter Druck, um zukünftig bessere Leistungen zu erbringen – ein echter Teufelskreis. Was also tun? Hin und wieder in stressige Situationen zu kommen, lässt sich kaum vermeiden. Es ist aber möglich zu lernen, besser mit ihnen umzugehen. Studien haben gezeigt, dass Achtsamkeitstraining das Stressempfinden reduzieren kann.¹ Die Psychologin Prof. Dr. Petra Jansen von der Universität Regensburg hat uns erläutert, was es mit Stressbewältigung durch Achtsamkeit auf sich hat und welche Übungen sich eignen, um die Methode zu erlernen.
Mobil-e: Frau Prof. Jansen, was passiert mit uns, wenn wir unter Stress stehen?
Prof. Dr. Petra Jansen: Stress löst in unserem Körper eine Vielzahl biologischer Reaktionen aus. Die unmittelbare Stressreaktion führt zu einer Erhöhung des Blutdrucks, zur Erhöhung des Pulses sowie zur Freisetzung verschiedener Hormone, darunter Adrenalin, und der Freisetzung des Stresshormons Cortisol. Diese biologischen Reaktionen sind meistens relativ kurz und in der Regel stellt sich der ursprüngliche Zustand schnell wieder ein. Solch eine sogenannte akute Stressreaktion ist normal und bei allen gesunden Menschen zu finden, zum Beispiel kurz vor einem Bewerbungsgespräch oder einer Präsentation. Zum gesundheitlichen Risiko wird Stress hingegen, wenn wir ihm langfristig ausgesetzt sind und unser Körper nicht die Möglichkeit hat, in den Normalzustand zurückzukehren. Er befindet sich dann sozusagen in einem dauerhaften Alarmzustand.
Mobil-e: Was hat das für Folgen?
Prof. Dr. Petra Jansen: Langfristiger Stress führt zu anhaltenden Veränderungen. Diese können zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems führen und zur Entstehung einer Reihe von Erkrankungen beitragen, wie zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Osteoporose.
Mobil-e: Inwiefern kann Achtsamkeitstraining hier Abhilfe schaffen?
Prof. Dr. Petra Jansen: Der Begriff Achtsamkeit beschreibt die Fähigkeit, im jetzigen Moment präsent zu sein. Gedanken und Gefühle, die auftreten, werden wahrgenommen und so angenommen, wie sie sind – ganz ohne sie zu bewerten. Es gibt verschiedene Achtsamkeitsverfahren, die sogenannte Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) – frei übersetzt Stressbewältigung durch Achtsamkeit – ist eines der bekanntesten. Das Programm wurde in den späten 1970er Jahren von dem amerikanischen Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn entwickelt, ursprünglich zur Behandlung von chronischem Schmerz. Insbesondere scheint Achtsamkeitstraining bei der (Mit-)Behandlung von Depressionen und Angstzuständen zu wirken.
Mobil-e: Im Rahmen einer Pilotstudie haben Sie kürzlich die Wirksamkeit von Achtsamkeitsübungen zur Stressbewältigung unter die Lupe genommen. Wie lief die Untersuchung ab und was kam dabei heraus?
Prof. Dr. Petra Jansen: An unserer Untersuchung nahmen 38 Studierende des Lehramtes Sport teil. 21 von ihnen absolvierten ein Achtsamkeitstraining, das sich über sieben Wochen erstreckte und 90 Minuten pro Woche dauerte. Die restlichen 17 wurden der Kontrollgruppe zugeordnet und erhielten den normalen Unterricht. Vor der Intervention wurden verschiedene Tests durchgeführt, zum Beispiel zum Stresserleben, zur Achtsamkeit und zur Selbstwirksamkeit. Diese Tests wurden nach der jeweiligen Intervention wiederholt. Unsere ersten Ergebnisse zeigten, dass gerade die Studierenden mit einem erhöhten Stresswert im ersten Test von dem Achtsamkeitstraining profitierten. Eine Veränderung in der allgemeinen Lebenszufriedenheit nach dem Achtsamkeitstraining konnten wir jedoch nicht feststellen. Dies deutet darauf hin, dass überdauernde Lebenskonzepte oder Einstellungen nur schwer durch ein relativ kurzes Achtsamkeitstraining veränderbar sind. Damit Achtsamkeitsübungen wirken können, müssen sie kontinuierlich praktiziert werden – so wie es beim Sport auch ist.
Mobil-e: Können Sie uns einige Achtsamkeitsübungen verraten, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen?
Prof. Dr. Petra Jansen: Grundsätzlich sind die Übungen sehr vielfältig und reichen von verschiedenen Meditationsformen hin zu körperbasierten Verfahren wie beispielsweise Yoga. Das Gute ist, dass man Achtsamkeit jederzeit für sich allein und ohne besondere Vorkenntnisse trainieren kann. Ein wesentlicher Bestandteil jedes MBSR-Programms ist der Body-Scan. Es handelt sich dabei um eine gedankliche Reise durch den Körper, von den Füßen bis zum Kopf. Dabei wird die Aufmerksamkeit sanft auf das geleitet, was man im eigenen Körper empfindet: Wie fühlt sich das Liegen auf dem Boden an? Wo im Körper ist der Atem wahrzunehmen? Einzeln wird jeder Körperteil durchgegangen und aufmerksam betrachtet. Diese Meditationsübung hilft dabei, den Körper bewusst wahrzunehmen und ganz präsent im Hier und Jetzt zu sein.
In unserer Studie haben wir die „Rosinenübung“ durchgeführt, die zu den bekanntesten Achtsamkeitsmeditationen aus dem MBSR-Programm gehört. Dabei betrachtet man zunächst eine Rosine so genau, als hätte man noch nie zuvor eine Rosine gesehen. Daraufhin nimmt man sie in die Hand und ertastet sie mit ebenso viel Aufmerksamkeit. Im dritten Schritt riecht man sehr genau an ihr. Schließlich führt man die Rosine langsam zum Mund und kaut sie eben mit Achtsamkeit. Jeder dieser Schritte geschieht mit einem hohen Bewusstsein. Diese Übung zeigt uns, wie wir einen alltäglichen Prozess wie das Essen auf ganz neue und intensive Art wahrnehmen können. Wenn es einem gelingt, sich auf die einzelnen Sinneseindrücke zu konzentrieren und sie auf sich wirken zu lassen, hat man bereits einen Zustand der Achtsamkeit erreicht.

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