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Familie 01/2017
Streitende Kinder
© martinedoucet / Getty Images

Streit unter Geschwistern – was tun?

Wenn Geschwister den ganzen Tag streiten, ist das für Kinder und Eltern gleichermaßen aufreibend. Wir haben die Psychologin Dr. Johanna Graf gefragt: Wie sollten Eltern reagieren und wie lässt sich Streit unter Geschwistern von vornherein vermeiden?

Neid, Eifersucht und Streitereien zwischen Geschwistern rauben Eltern manchmal den letzten Nerv. Dabei wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass die Kinder miteinander spielen und sich gut verstehen. Leider wird Geschwisterliebe bei der Geburt nicht mitgeliefert. Sie zu stärken ist eine verantwortungsvolle Aufgabe mit weitreichenden Folgen. Dr. Johanna Graf ist Diplom-Psychologin, psychologische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl Sozialpsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie hat das wissenschaftlich untermauerte Trainingsangebot für Eltern „FamilienTeam“ mitentwickelt, ist Autorin des Buchs „Familienteam – das Miteinander stärken“ und selbst dreifache Mutter. Wir haben sie gefragt, woran es liegt, wenn Geschwister sich den ganzen Tag streiten, und was man dagegen tun kann.

Mobil-e: Frau Dr. Graf, was können Ursachen für Streit unter Geschwistern sein?

Dr. Johanna Graf: Die Anlässe für Geschwisterstreit variieren mit dem Alter der Kinder. Besitzkonflikte (zum Beispiel „Das ist meine Puppe!“ – „Nein, ich hatte sie zuerst!“) sind dabei die Nummer eins. Die Anlässe sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Darunter liegen die wichtigen Themen, nämlich Fragen der Durchsetzungskraft, Autonomie und Wertschätzung. Also: Wer darf bestimmen? Kann ich mich durchsetzen? Wen haben Mama und Papa mehr lieb?

Mobil-e: Abgesehen davon, dass Geschwisterstreit für alle Beteiligten anstrengend ist – gibt es auch langfristige Folgen?

Dr. Johanna Graf: Wenn sich immer wieder die gleichen Kämpfe abspielen und sich die Interaktionsmuster wiederholen – wenn zum Beispiel ein Kind meistens dem anderen überlegen ist – dann bildet sich ein inneres Modell aus, das Antworten enthält auf Fragen wie: Wer bin ich? Bin ich liebenswert? Wie sehen Beziehungen aus? Diese sind auch für die weitere Entwicklung prägend. Je nachdem, wie konstruktiv oder destruktiv die Konflikte ausgetragen werden, können sie mehr oder weniger abträglich sein. Das unterlegene Kind kann dann zum Beispiel verinnerlichen: „Nur wenn ich immer nachgebe und meine Bedürfnisse unterordne, werde ich akzeptiert.“ So eine „Brille“ bestimmt maßgeblich, was ich erwarte und wie ich mich verhalte. Ständiger Streit unter Geschwistern ist also einerseits „normal“ und bietet die Gelegenheit, viel darüber zu lernen, wie man mit unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen umgehen kann, kann andererseits aber auch das Selbstwertgefühl nachhaltig schädigen. Das hat dann langfristige Folgen für die späteren Beziehungen zu Freunden, Kollegen, Liebespartnern.

Mobil-e: Wie sollten Eltern auf permanenten Streit unter Geschwister reagieren?

Dr. Johanna Graf: Auf keinen Fall, indem man die Kinder beim Streiten sich selbst überlässt oder dazwischen geht und als „Schiedsrichter“ entscheidet, wer Recht hat. Kinder brauchen vielmehr bis ins Jugendalter hinein die Begleitung Erwachsener, wenn es darum geht zu lernen, sich in emotions- und konfliktgeladenen Situationen kompetent zu verhalten. Konflikte selbstständig lösen zu können, ist ein wichtiges Erziehungsziel. Eltern sollten die innere Haltung vermitteln, dass alle Gefühle erlaubt sind, aber nicht jedes Verhalten. Und sie sollten den Kindern zeigen, dass diese ihnen beide am Herzen liegen und dass man beide verstehen kann. Ganz wichtig ist es, negative Gefühle nicht kleinzureden, sondern sie in Worte zu fassen, also zum Beispiel: „Du hattest dir so viel Mühe gegeben, den Turm zu bauen – da wäre ich auch wütend, wenn …“ Das trägt maßgeblich zur Beruhigung bei.

Mobil-e: Haben Sie konkrete Tipps, wie Eltern auf Geschwisterstreit reagieren sollten?

Dr. Johanna Graf: Folgende Schritte können Eltern als „Konfliktcoaches“ anwenden:

Schritt 1
Gefühle beider benennen und akzeptieren

Schritt 2
Herausarbeiten, was jeder wollte, und anerkennen, dass das eine schwierige Situation ist

Schritt 3
Mit beiden erarbeiten, wie sie sich in Zukunft bei ähnlichen Situationen verhalten können

Schritt 4
Einladen zur Problemlösung (zum Beispiel „Wie wollt ihr jetzt ...?“)
Die Eltern werden vor allem bei der Emotionsregulation (Schritte 1 und 2) gebraucht, also dabei, die Gefühle zu akzeptieren und die Bedürfnisse herauszuarbeiten, bis die Wogen sich geglättet haben.

Streit unter Geschwistern von vornherein vermeiden

Es muss gar nicht immer so weit kommen, dass zwischen Geschwistern die Fetzen fliegen. Eltern können einiges tun, um Streit vorzubeugen. Dr. Johanna Graf hat uns einige Tipps zusammengestellt:

  • Vereinbaren Sie mit jedem Kind verlässliche Zweierzeit mit Mama oder Papa, in der es bestimmen darf und das Gefühl bedingungsloser und ungeteilter Liebe erleben kann.
  • Geben Sie nicht jedem Kind das gleiche, etwa um „gerecht“ zu sein, sondern jedem das, was es gerade braucht.
  • Formulieren Sie „Beschwerden“ in Bedürfnisse um und erwidern Sie beispielsweise auf „Er hat aber mehr Pfannkuchen bekommen!“ „Du hast noch Hunger. Magst du noch …?“
  • Schaffen Sie geschützte Räume und günstige Bedingungen. Halten Sie zum Beispiel vom begehrtesten Spielzeug möglichst tatsächlich für jedes Kind ein Exemplar bereit.
  • Coachen Sie rechtzeitig und bringen Sie Konfliktlösekompetenzen bei, wenn die Kinder noch klein sind. Einige Beispiele:
    - „Frag ihn, ob du das mal ausleihen darfst.“
    - „Wenn du das auch mal haben möchtest, was kannst du jetzt machen?“
    - Sag ihm, dass du das wieder zurückhaben möchtest.“
    - „Biete etwas zum Tausch an. Was könnte ihm gefallen?“
    - „Ihr wollt beide mit dieser Puppe spielen, wie könnten wir das hinkriegen?“
    - „Du kannst vorschlagen, dass ihr euch abwechselt. Oder holst du eine zweite Puppe?“
    - „Sag deiner Schwester mit Worten – ganz genau – was dich geärgert hat.“
  • Vermeiden Sie Vergleiche – sie stacheln die Geschwisterrivalität an. Sagen Sie stattdessen jedem Kind einzeln, was Sie an ihm schätzen oder formulieren Sie konkret, was Sie in diesem Moment für ein Verhalten erwarten (positiv formulierte Aufforderung).
  • Seien Sie ein Vorbild. Kinder bekommen durchaus mit, wie die Eltern ihre Konflikte miteinander austragen, wie sie sich streiten und wie sie sich wieder versöhnen.

Kostenlose Beratungsangebote für Eltern

Sie wünschen sich professionelle Hilfe, weil Ihre Kinder den ganzen Tag streiten? Das Onlineberatungsangebot für Eltern der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung bietet Eltern, die Fragen rund um das Thema Erziehung haben, psychologische Unterstützung – egal, ob in der Einzelberatung oder im Gruppenchat. Telefonische Hilfe bei familiären Sorgen und Problemen hält die Nummer gegen Kummer für Eltern bereit. Wählen Sie einfach die kostenlose Hotline: 0800 111 0550. Weitere Kontakt- und Beratungsstellen für psychologische und auch medizinische Fragestellungen – nicht nur für Eltern – haben wir auf unserer Website unter www.bkk-mobil-oil.de/med-dienste zusammengestellt.

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